Die Liebesblogger

Love is all you need

Die Liebe und ihre Feinde (XII): Wieso die Liebe Menschen glücklich macht – und der Alkohol dieses Glück zerstört.

 

„Belief isn’t enough – however impassioned our conviction, they need to be tested.“

George Vaillant.

 

Vor einigen Jahren machte George Vaillant, langjähriger Leiter der bekannten Harvard Gesundheitsstudie (nach ihrem ersten Financier auch Grant-Study genannt) eine beeindruckende und für manche auch überraschende Feststellung.

Die Harvard Gesundheitsstudie besteht seit 1937 und hat somit mehr als 80 Jahre hinter sich. Als ein Journalist der Zeitschrift The Atlantic George Vaillant vor einigen Jahren bat, die Erkenntnisse der Studie in Kurzform zusammenzufassen, da sagt er einen Satz, der ebenso bemerkenswert war wie die Studie, die er selber über drei Jahrzehnte betreut hat: „Happiness is love. Full stop.“ Das hätte John Lennon von den Beatles nicht schöner sagen können.

Nun ja, eigentlich sagte er seinen Satz über die wesentliche Erkenntnis aus so vielen Jahren der Forschung zunächst in einer etwa längeren Variante: „The only thing that really matters in life are your relations to other people.“

Vaillant war über 30 Jahre lang der Leiter dieser längsten sozialwissenschaftlichen Studie der Welt. Er weiß genau, wovon er spricht.

In all den Jahren, in denen Vaillant der Studie vorstand, waren aus Männern um die 50, alte Herren von 80 Jahren geworden. Wenn sie denn überhaupt noch lebten. Vaillant hatte sie alle altern sehen. Er hatte beobachten können, wer von ihnen einsam, unglücklich und krank endete. Und er hatte Männer erlebt, die glücklich, zufrieden und – weitgehend – gesund diese Lebensjahrzehnte durchmaßen.

Was war der Unterschied zwischen den beiden Gruppen, den glücklichen und den unglücklichen?

Vaillants Einschätzung war eindeutig. Sie lautete kurz und prägnant: „Happiness is love.“ Oder in den Worten von John Lennon gesprochen: All you need is love.

 

Was ist Liebe?

 

Liebe ist ein enges emotionales Verbunden-Sein mit anderen Menschen. Wir sorgen füreinander. Wir sorgen uns umeinander. Wir sind da wenn der andere uns braucht. Dabei hat die Liebe nicht nur eine Dimension – die partnerschaftliche Liebe. Sie hat zumindest vier Dimensionen und wie sich in der Harvard Gesundheitsstudie herausstellen sollte, sind sie alle wichtig für das erfolgreiche, das glückliche Leben. Und zudem auch für das erfolgreiche und glückliche Altern, das die Studie im Verlauf der vielen Jahrzehnte die sie ihre Teilnehmer begleitete ja auch beobachten konnte. Aus den ursprünglich mal 18 Jahre alten Männern wurden Familienväter, Senioren und schließlich auch Greise. Werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Bereiche, in denen wir Liebe erleben.

 

Erstens: Die Liebe unserer Eltern zu uns.

Zweitens: Die Liebe zu unseren Freunden.

Drittens: Die Liebe zu unseren Kindern.

Viertens: Die Liebe zu unserem Partner oder unserer Partnerin.

 

Am glücklichsten waren in Vaillants Analyse seiner schier unglaublichen Datenmenge über das Leben von 700 Menschen über acht Jahrzehnte diejenigen, die zum einen in ihrer Kindheit von beiden Eltern geliebt worden waren und die zum anderen in ihrem späteren Leben gute Ehen führten. Sie hatten zudem auch ein gutes Verhältnis zu ihren Kindern. Gute Freundschaften halfen ebenso.

 

 

Nur die Liebe zählt

 

Weder war die Harvard Gesundheitsstudie mit dem Ziel gestartet die Frage der Rolle der Liebe in unserem Leben überhaupt aufzuwerfen oder gar zu klären, noch hatte irgend jemand der der Studie angehörte erwartet, dass sein persönlicher Erfolg im Leben und im Alter von der Liebe abhängen würde. Es waren weiße Mittelschichtsmänner, die in den Jahren 1937 bis 1944 ihr Studium in Harvard aufnahmen. Manche, wie der spätere US-Präsident John F. Kennedy, kamen aus der Oberschicht. Sie alle hatten eher traditionelle Vorstellungen von Erfolg. Ein Uniabschluss, eine gute Karriere, ein gutes Einkommen – das sahen viele von ihnen als Voraussetzung für das Lebensglück an. Das waren die Ziele, für die sie sich anstrengen wollten.

Natürlich wollten sie auch eine Familie gründen, die allermeisten von ihnen wollten das. Die allermeisten von ihnen taten das auch. Niemand erwartete aber, dass sein Erfolg in der Liebe maßgeblichen Einfluss auf seinen beruflichen Erfolg haben würde.

„Die Gründer der Studie gingen eher davon aus, dass es eine genetische Disposition zum Erfolg geben würde“, sagt George Vaillant. Sie erwarteten zum Beispiel – dem Zeitgeist gemäß – dass sich körperlich besonders auffällig schöne, ebenmäßige und besonders gesunde, athletische Männer im späteren Leben besonders gut entwickeln würden. Sie würden den Ruhm ihres Vaterlandes im heraufdämmernden Krieg ernten, die größten wissenschaftlichen Leistungen vollbringen, die höchsten Einkommen erzielen oder zu einflussreichen politischen Führern werden. Und genau das passierte nicht.

 

Fehlannahmen und ihre Revision

 

Der Körper und die Gene als Erfolgsgaranten, das war nur eine der zahlreichen Fehlannahmen, mit denen die Harvard-Gesundheitsstudie erst viele Jahrzehnte später aufräumen würde, als die Daten einfach keine anderen Schlüsse mehr zuließen – und der Zeitgeist über die genetischen und auf Körpermerkmale orientierten Annahmen der 30er Jahre hinweggegangen war. Es brauchte den Aufbruch der jungen Generation in den 60er Jahren, es brauchte Lieder wie „All you need ist love“ und es brauchte noch viele Jahrzehnte der Forschung um in den Elfenbeintürmen der Wissenschaft eine radikale neue Weltsicht durchzusetzen.

 

 

Erst im Jahr 2008 machte Vaillant sein prägnantes Statement. „Happiness ist love.“ Da sammelten die Wissenschaftler seines Teams und ihre Vorgänger bereits seit sieben Jahrzehnten Daten über Daten.

Diese Daten sprachen eine ganz eindeutige Sprache: Keine überlegenen Gene und keine sportlich gestählten Astralleibe hatten die Erfolgreichsten unter ihnen zu den Erfolgreichsten gemacht. Es war vielmehr – die Liebe.

 

Erkenntnis Nummer dreiundzwanzig: Für ein glückliches Leben ist die Liebe einer der wichtigsten Bausteine.

 

Was George Vaillant und seine Kolleginnen und Kollegen im Detail über die Bedeutung der Liebe in unserem Leben herausfanden ist  beeindruckend. Manches ist zudem auch ziemlich überraschend:

 

# So steigt die Wahrscheinlichkeit eines Mannes im Alter an Demenz zu erkranken auf das dreifache, wenn er ein schwieriges Verhältnis zu seiner Mutter hatte.

# Ein warmes, fürsorgliches Elternhaus erhöhte für die Teilnehmer der Studie das durchschnittliche Einkommen im Alter von 60 Jahren um 87.000 Dollar.

# Männer die gute Partnerschaften führten, ein gutes Verhältnis zu ihren Kindern hatten und gute Freundschaften pflegten unterschieden sich auch materiell stark von den Teilnehmern der Studie, bei denen das alles nicht der Fall war. Die ersteren verdienten im Durchschnitt 243.000 Dollar – die letzteren hingegen nur 102.000 Dollar im Jahr.

 

Was ist Erfolg?

 

Diese Zahlen sind wichtig. Sie sind wichtig für unser Verständnis des menschlichen Lebens. Sie sind wichtig für die Frage, was es zu einem Erfolg macht. Die traditionelle Vorstellung von Erfolg geht davon aus, dass ein hohes Einkommen ein wichtiges Lebensziel des Menschen ist – hierfür soll er sich anstrengen. Er soll seine Energie auf den Gelderwerb richten – nicht auf die Liebe. Er soll viel lernen und viel arbeiten.

Vaillants Studie kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: Der Mensch soll viel lieben. Und viel geliebt werden. Dann ist er glücklicher – und erzielt auf diese Weise sogar ein höheres Einkommen.

 

 

Der Alkohol ist mein bester Freund

 

Interessanterweise konnte Vaillants Team aber nicht nur die große Bedeutung der Liebe für das gute, gelingende Leben nachweisen, sondern auch einen der erbittertsten und größten Feinde der Liebe identifizieren. Er ist an der Zerstörung sehr vieler Ehen beteiligt – und fristet doch ein Schattendasein in der Berichterstattung der Medien über die Liebe und in der Aufmerksamkeit von Paarberaterinnen und Paarberatern. Es ist der Alkohol.

„In 57 Prozent aller Fälle, in denen es zu einer Scheidung kam, gab es Alkoholmissbrauch bei einem der beiden Partner“, sagt George Vaillant. Diese Daten zu erheben war für die Studie nicht einfach. Ein hoher eigener Alkoholkonsum wird von den meisten Menschen nicht gerne zugegeben. Weitaus schwieriger noch war es herauszufinden, ob die Partnerinnen der Studienteilnehmer tranken. Das gaben ihre Männer nur sehr ungern zu.

Oft sind der nicht-trinkende Partner (oder die Partnerin) sehr unsicher, wie sie den Alkoholkonsum des Anderen einschätzen sollen. Er selber erklärt ihn in der Regel für völlig normal – und leugnet jeden Zusammenhang zwischen dem Alkohol und den partnerschaftlichen Schwierigkeiten. Doch das ist nicht wahr. George Vaillants Daten zeigen es deutlich: Paare bei denen einer oft trinkt, haben nicht partnerschaftliche Probleme und zufällig auch einen erhöhten Alkoholkonsum Ihres Partners. Sie haben partnerschaftliche Probleme aufgrund des erhöhten Alkoholkonsums.

 

Erkenntnis Nummer vierundzwanzig: Der Missbrauch von Alkohol zerstört viele Partnerschaften. Das hat seinen Grund in der Unzuverlässigkeit des Partners. Zudem erlebt der trinkende Partner seine größten Glücksmomente nicht etwa im Zusammensein mit dem Anderen, im Gespräch mit ihm, bei Unternehmungen mit ihm oder beim Sex – er erlebt sie vielmehr beim Trinken.

 

Der Alkohol als bester Freund – das fühlt sich für die Partnerin oder den Partner nicht gut an. Wer einen Partner hat der häufig trinkt, der erlebt seltener Sex als er gerne möchte. Er wird vom anderen oft alleine gelassen, emotional wie physisch. Trinken ist zudem auch eine Form der Untreue gegenüber der Beziehung. Jemand anderes ist wichtiger. Der Alkohol ist der beste Freund. Und das ist keine gute Grundlage für eine stabile und glückliche Partnerschaft.

 

Ein Dank an Sie

 

Dies war der letzte, der zwölfte Teil der Serie „Die Liebe und ihre Feinde“. Schön dass Sie mit dabei waren und sehen konnten, was die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten alles über die Liebe herausgefunden hat.

Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, mehr über die Liebe zu erfahren. Ich freue mich, wenn Ihre Liebe davon profitieren konnte. Bleiben Sie miteinander im Gespräch. Über die Liebe. Über tägliche Zuwendung. Über das, was Sie sich voneinander wünschen und das was Sie brauchen, um ein glückliches Paar zu sein – oder zu werden.

Gerne können Sie alle Teile der Serie auch als gratis eBook lesen. Zum Download des Buches „Die Liebe und ihre Feinde“ geht es hier.

 

Teil I: Die Liebe und ihre Feinde
Teil II: Warum Partnerschaften wirklich scheitern
Teil III: Wieso es in schwierigen Partnerschaften vor allem an positiver Zuwendung fehlt
Teil IV: Wieso wir uns auf das konzentrieren sollten, was in einer Beziehung gut läuft
Teil V: Kritik ist ein Beziehungskiller. Warum wir in einer Beziehung nicht versuchen sollten, die Dinge auszudiskutieren.
Teil VI: Wieso wir uns Zeit füreinander nehmen müssen, wenn die Liebe halten soll – auch Zeit für den Sex
Teil VII: Wenn der Sex selten wird, dann schwindet auch die Liebe – dagegen lässt sich etwas tun
Teil VIII: Wieso das Smartphone das Verbundenheitsgefühl eines Paares beeinträchtigen kann
Teil IX: Wieso eine Fernbeziehung besser sein kann als zusammen zu leben
Teil X: Was wissen wir wirklich über die Liebe
Teil XI: Über Treue und Untreue

 

Christian Thiel lebt und arbeitet als Single- und Paarberater in Berlin (die-liebe-bleibt.de). Von ihm gibt es unter anderem die Bücher „Streit ist auch keine Lösung“ und „Suche einen für immer und ewig“.

 

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1 Kommentar

  1. Kathrin Nake

    Hallo Christian,
    vielen lieben Dank für diesen wunderbaren Beitrag. Ich kann die Ergebnisse der Studie in meiner Praxis bestätigen. Viele Erkrankungen (Schlafstörungen, Burnout, Depressionen und Süchte bspw.) entstehen durch unglückliche oder fehlende Beziehungen.
    Herzliche Grüße aus Dresden, Kathrin
    (Praxis Kathrin Nake Dresden: https://www.psychotherapie-nake.de/beratung-beziehungsberatung/)

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