Die Liebe und ihre Feinde (Teil III): Warum es in schwierigen Partnerschaften vor allem an positiver Zuwendung fehlt

 

In der letzten Woche ging es hier auf herzenssache365 um Kontaktangebote (bids) in der Partnerschaft und um ihr Scheitern. Heute schauen wir mal was passiert, wenn so ein Paar in die Beratung kommt.

Paare die sich über Jahre einander immer weniger zugewendet haben kommen oft in eine Paarberatung. Sie bitten um einen Termin und sind sich einig: „Mit unserer Kommunikation stimmt etwas nicht!“

Der Streit ist das offensichtliche

Ich habe diesen Satz aus dem Mund von Hunderten von Paaren gehört. Und nicht nur ich. Auch meine Kolleginnen und Kollegen hören ihn nahezu täglich. Ich habe keinen Zweifel, dass es genau das ist, was den Paaren auffällt. Ihre Gespräche werden schnell hitzig. Einer greift den anderen an. Der andere schlägt umgehend zurück. Jeder fühlt sich missverstanden. „Aber so habe ich das doch gar nicht gemeint!“

Warum das Ganze, könnte man da fragen. Ja, warum das Ganze? Weil zu wenig Kontakt einsam macht. Gemeinsam einsam. Diese Einsamkeit macht Menschen schwierig. Es sind ja nicht nur die Kontaktangebote, die bids, die zunehmend ins Leere laufen. Alle Formen der Zuwendung zum anderen werden in diesen Partnerschaften seltener. Sie nehmen sich weniger Zeit füreinander. Sie reduzieren das Maß an Energie, das sie für den anderen aufwenden – die Aufmerksamkeit. Zeit und Aufmerksamkeit sind unsere wichtigsten Ressourcen. Jeden Tag entschieden wir aufs Neue, wofür wir sie einsetzen. Ob für die Partnerschaft – oder lieber für etwas Anderes.

In diesen Partnerschaften mangelt es nach einigen Jahren an manchem. Es fehlt:

*das gute Wort;

*die liebevolle Umarmung;

*der zärtliche Kuss zum Abschied am Morgen und zum Wiedersehen am Abend;

*der anerkennende Blick;

*das gute Gespräch;

*die leidenschaftliche Sexualität

*der Kuss zur guten Nacht

*das abendliche Aneinanderkuscheln

*das neugierige Gespräch über den Tag

Deshalb bitte ich Paare die zu mir in die Beratung kommen, sich Gedanken um ihre Plussäule zu machen. Auf meinem Flipchart sieht das dann so aus.

 

 

Links ist das Minus zu sehen. Dieses Minus „lieben“ Paare ganz sehr in ihren Gesprächen miteinander und in der Beratung. Das Minus, das ist alles was schief läuft zwischen den beiden. Das böse Wort. Das heftige Wort. Der Streit. Die lautstark zugeworfene Tür.

Das alles passiert auf der linken Seite. Dort wo die Minussäule ist.

Ich habe gesagt, dass Paare die linke Seite „lieben“. Das ist natürlich nicht ganz richtig. Paare sind von ihren Streitereien ja nicht etwa begeistert. Aber sie richten ihre Aufmerksamkeit liebend gerne auf das was schief läuft. Wenn sie in der Beratung erscheinen, dann wollen Sie unbedingt, dass ich mich vor allem um dieses Minus kümmere. Sie wollen über ihre Probleme reden. So wie sie es miteinander schon seit Jahren machen. Erfolglos.

 

 

Diese „Liebe“ von Paaren für die Minus-Säule mache ich in der Beratung manchmal auch noch durch Pfeile deutlich. Alle Pfeile, alle Aufmerksamkeit, richtet sich auf das Negative in der Beziehung. So wie im Bild oben.

Ist das wirklich sinnvoll? Nein. Ist es nicht. Deshalb wenden wir uns jetzt der rechten Seite zu. Dort steht die Plussäule. Sie soll die linke Seite ausgleichen. Auf ein Teil Minus müssen fünf Teile Plus kommen – dann ist die Beziehung glücklich und stabil. Das ist ein anderes Ergebnis der Forschung von John Gottman.

Wie viel Zuwendung zum anderen gibt es noch?  Diese Frage interessiert mich ganz besonders. Es ist die Kernfrage. Sich zu lieben bedeutet füreinander da zu sein. Das leuchtet manchen Paaren nicht unmittelbar ein. Warum sollen sie füreinander da sein? Sie lieben sich doch – muss das nicht reichen?

Die meisten Paare aber überzeugt die Grafik und auch das in ihr dargestellte Verhältnis von 1 zu 5 für die negativen und die positiven Erlebnisse mit dem anderen. Sie wünschen sich mehr Zuwendung und mehr Anerkennung.

Sie haben möglicherweise gar kein „Kommunikationsproblem“. Sie leiden vielmehr – beide – unter einem Mangel. Ihre Kontaktangebote (bids) werden zu selten erwidert. Ihre Bedürfnisse werden zu selten erfüllt. Und sie erleben zu selten Anerkennung und Wertschätzung. John Gottman drückt diesen Gedanken in seiner ganz eigenen Weise aus und wählt im englischen die beiden Begriffe attachment und intimacy:

 

Erkenntnis Nummer Sieben: In guten Partnerschaften sind beide Partner täglich füreinander da. Sie wenden sich gerne einander zu. Das ist keine Frage von Kommunikationsfähigkeiten. Sondern von Aufmerksamkeit für den Anderen und seine Gefühle und Bedürfnisse.

Ein Wort an die Männer

Anerkennung. Wertschätzung. Respekt. Das ist es, was wir in einer Partnerschaft suchen. Und wann hat Ihre Partnerin das mehr verdient, als wenn Sie sich um die Beziehung verdient gemacht hat.

Hier kommt noch einmal zur Erinnerung die Grafik aus der vergangenen Woche, aus der hervorgeht, wer sich in einer Beziehung im Punkt auf Kontaktangebote einzugehen in der Regel konstruktiver verhält – es sind die Frauen.

 

Er irrt – sie nicht

Rund um den Globus, in allen Kulturen der Welt, sind es Frauen, die den Karren der Ehe wieder flott machen, wenn er mal nicht mehr gut läuft. Und ebenso selbstverständlich sind es Männer, die ebenso ratlos wie hilflos dabei zuschauen, wie der Wagen schwer beschädigt oder mit einem kaputten Vorderrad liegen bleibt. Was soll man da auch tun!

 Erkenntnis Nummer Acht: Frauen verhalten sich in Partnerschaften in der Regel konstruktiver. Sie leidet unter mangelnder Zuwendung. Er denkt, eine gute Liebe brauchte das nicht. Das ist der Klassiker in der Paardynamik. Er irrt. Sie nicht.

Sich Tag für Tag um eine Beziehung zu kümmern, das ist anstrengend genug. Was Frauen manchmal richtig mürbe macht, das die mangelnde Wertschätzung von Männern für das was sie da leisten. Helfen da  Kommunikationsregeln? Ich zweifele daran. In meinen Augen hilft da etwas ganz anderes, etwas was sehr viel mit der Plus-Säule zu tun hat, die Sie heute schon zwei Mal zu sehen bekommen haben.

Da hilft nur Anerkennung. Wertschätzung. Respekt. Jeden Tag. Seien Sie also dankbar – für das was Sie bekommen. Und Dankbarkeit – aber das ist schon wieder ein neues Thema. Und um das wird es hier auf herzenssache365 in zwei Wochen gehen.

Ich freue mich, wenn Sie wieder mit dabei sind!

 

Dieser Text ist, wie alle Beiträge der Reihe „Die Liebe und ihre Feinde“, zunächst auf den Seiten von welt.de erschienen.

 

In der Reihe „Die Feinde der Liebe“ sind bislang folgende Teile erschienen:

Teil I: Die Liebe und ihre Feinde

Teil II: Warum Partnerschaften wirklich scheitern

 

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