„Die Liebe und ihre Feinde“ (Teil VII): Wie sich die Sexualität eines Paares lebendig erhalten lässt
Sex tut uns gut, belebt uns und stärkt dazu auch noch unsere Bindung aneinander. Wir haben das in der letzten Woche gesehen. War es das schon? Müssen Paare einfach nur mehr Sex haben – und dann bleibt eine Beziehung dauerhaft glücklich und stabil?
Ich weiß, dass das die bevorzugte Sicht vieler Männer ist. Sie kritisieren ihre Frauen, dass es so selten Sex gibt. Wollen Frauen häufiger (kein seltener Fall), dann tappen sie in die gleiche Falle – und kritisieren ihre Partner.
Das sind unglücklicherweise gleich zwei schwere Fehler die sie da machen. Und beide Fehler führen dazu, dass der Sex in der Partnerschaft noch seltener wird.
Der erste Fehler ist – die Kritik. Kritik führt nicht zu mehr Verbundenheit, sondern reduziert sie sogar noch. Zudem führt Kritik in der Regel zu einer Gegenkritik. Der Partner oder die Partnerin wehrt sich. Völlig zu recht übrigens, denn einem der Partner die Schuld zuzuschieben wenn die gemeinsame Sexualität nicht mehr so gut oder nicht mehr so häufig ist, dass ist unangemessen. Da stricken zwei dran.
Fehler Nummer Zwei
Der zweite Fehler ist das mangelnde Interesse der Männer an der Sicht ihrer Partnerinnen. Wie sich mangelndes Interesse anfühlt? Schlecht!
Es sollte niemals eine Kritik sein, wenn Sie eine nachlassende Sexualität in Ihrer Beziehung ansprechen wollen. Das geht in meinen Augen auch anders, als Feststellung zum Beispiel und als Frage:
„Wir haben in den letzten Monaten nur selten Sex gehabt. … Ich vermisse das. … Ich vermisse dich. … Ich würde das gerne ändern. Hast du eine Idee, was wir beide da tun können?“
Das war jetzt eine Gesprächseröffnung wie aus dem Bilderbuch. Ich gebe es ja zu. Kein Vorwurf – sondern eine Feststellung. Zudem spricht der Mann auch noch von sich. Und von seinen Gefühlen. Er vermisst seine Frau und den Sex mit ihr. Und dann will dieser Mann auch wirklich wissen, wie seine Partnerin das sieht.
Die Frau wird deutlich positiver auf so eine Ansprache reagieren, als auf eine Kritik. Oder gar auf eine Kritik mit anschließender Beschuldigung, dass alles nur an ihr liege. Das ist umgekehrt nicht anders. Vermisst die Frau den Sex und möchte gerne mehr, dann reagieren Männer ebenfalls empfindlich auf jede Form der Kritik. Und schiebt die Frau ihm die Schuld für die seltene Sexualität in die Schuhe, dann reagieren auch Männer besonders empfindlich. Und auch das führt dazu, dass der Sex in der Partnerschaft seltener wird.
Reicht es aus, sich mehr Sex zu wünschen? Reicht es aus, wenn ein Paar sich vornimmt, in Zukunft wieder mehr Sex zu haben? Nein, sie müssen etwas tun. Aus der Forschung wissen wir sehr genau, was es tun muss. Problemgespräche, Vorwürfe und Kritik führen nicht zum Ziel. Anerkennung und Wertschätzung dagegen schon.
Was führt zu mehr und besserem Sex?
„Eine gute Sexualität ist keine Raketenwissenschaft“, sagt die amerikanische Soziologin Pepper Schwartz. Guter Sex ist also alles andere als kompliziert. Zu dem Ergebnis kam sie zusammen mit Chrisanna Northrup und James Witte, in der wohl umfangreichsten Partnerschaftsstudie der Welt. 100.000 Menschen aus 24 Länder haben ihnen geantwortet – ein Schatz an Erkenntnissen. Aus ihrer Studie, die unter dem Titel „The Normal Bar“ als Buch erschienen ist, lässt sich sehr genau ablesen, was ein gutes Sexualleben ausmacht – und was nicht.
Was also tun diese Paare?The Normal Bar gibt auf diese Frage eine spannende Antwort. Diese Paare haben einen Set von rund einem Dutzend Verhaltensweisen, mit denen sie sich Zuneigung signalisieren, Anerkennung und Respekt.
Erstens. Sie sagen sich oft, dass sie sich lieben.
Zweitens. Sie küssen sich auch dann leidenschaftlich und gerne, wenn sie keinen Sex haben.
Drittens. Sie machen sich ohne Anlass kleine Geschenke.
Viertens. Sie wissen, was Ihr Partner oder Ihre Partnerin beim Sex mag – und was nicht.
Fünftens. Sie kommen sich körperlich näher – auch in der Öffentlichkeit.
Sechstens. Sie kuscheln gerne, auch wenn es nicht zur Sexualität kommt.
Siebtens. Sie machen die Sexualität zu einer Priorität in ihrem Leben. Sie ist wichtig – und nicht der letzten Punkt auf einer langen To-do-Liste.
Achtens. Sie sind füreinander sehr gute Freunde.
Neuntens. Sie sprechen miteinander über ihre Sexualität.
Zehntens. Sie begrüßen und verabschieden sich mit einem Kuss und/oder einer Umarmung.
Elftens. Sie interessieren sich für das, was der anderen zu erzählen hat – weder ist das Fernsehen wichtiger, noch das Smartphone.
Füreinander da sein ist das Wichtigste
Paare die auch nach zehn oder zwanzig Jahren gerne und viel Sex haben, haben also nicht einfach nur so ohne jeden Grund viel Sex. Es ist keine Zufall und es sind auch nicht einfach „die Hormone“. Sie tun vielmehr etwas dafür, dass der andere die Bindung aneinander spürt. Sie sind füreinander da.
Vielleicht ist es Ihnen aufgefallen: Sex-Toys kommen in der Liste nicht vor. Reizwäsche auch nicht. Diese gerne gegebenen Empfehlungen für ein peppigeres Sexualleben haben es nicht einmal in die Top-Ten von The Normal Bar gebracht. Romantische Abendessen bei Kerzenschein ebenfalls nicht.
Erkenntnis Nummer Fünfzehn: Paare mit einem guten Sexualleben erreichen dies nicht durch Sex-Toys und Reizwäsche oder Essen bei Kerzenschein. Sie erreichen dies durch Zuwendung zum Anderen. Täglich. Und sie erreichen dies durch Interesse für die Wünsche und Bedürfnisse des anderen – auch in der Sexualität.
Warum Sex-Toys und Reizwäsche nicht helfen
Immer wenn Sex-Toys oder Reizwäsche in der Beratung auftauchen, dann zeigt sich bald, dass sich ein Paar im Alltag viel zu selten einander zuwendet. Das ist der Grund für ihren Gang in den Sex-Shop oder ihre Bestellung im Internet. Wie soll ein Sex-Toy die mangelnde Zuwendung zum anderen ausgleichen? Nicht nur ich halte das für unmöglich. Auch das Forscherteam von The Normal Bar kommt zu diesem Ergebnis. Sextoys tauchen in ihrer Elf-Punkte-Liste nicht auf. Paare die es mit Sex-Toys versuchen, suchen an der falschen Stelle nach einer Lösung für ihre erlahmende Sexualität. Sie vertrauen populären Mythen. Und diese Mythen schicken sie in die Irre.
Wissenschaft trifft Partnerschaft
Alles was Sie heute über eine bessere partnerschaftliche Sexualität erfahren haben, kommt aus der Wissenschaft. Es ist valide und belegt. Die Liste mit den Empfehlungen für eine bessere Sexualität entspringt somit keiner bloßen Ansichtoder Meinung der Autoren. Sie entspringt dem was wir zuverlässig über diese Frage wissen.
Einer der zentralen Punkte auf der schönen Liste von The Normal Bar ist – die Zuwendung zum Anderen. Sie scheint der Sexualität ganz besonders Auftrieb zu geben. Leider gibt es da mehr als nur einen Störenfried, der diese Zuwendung unterbindet. Heute ist es oft das Smartphone, das wichtiger ist als der Partner oder die Partnerin. Und um diesen Punkt werden wir uns in der nächsten Woche kümmern.
Dieser Text ist, wie alle Beiträge der Reihe „Die Liebe und ihre Feinde“, zunächst auf den Seiten von welt.de erschienen. Wie sich das Smartphone auf die Intimität eines Paares auswirkt und warum exklusive Zeit mit dem Partner für uns so wichtig ist, das schauen wir uns im nächsten Beitrag im Detail an – im achten Teil der Serie „Die Liebe und ihre Feinde“.
Teil I: Die Liebe und ihre Feinde
Teil II: Warum Partnerschaften wirklich scheitern
Teil III: Wieso es in schwierigen Partnerschaften vor allem an positiver Zuwendung fehlt
Teil IV: Wieso wir uns auf das konzentrieren sollten, was in einer Beziehung gut läuft
Teil V: Kritik ist ein Beziehungskiller. Warum wir in einer Beziehung nicht versuchen sollten, die Dinge auszudiskutieren.
Teil VI: Wieso wir uns Zeit füreinander nehmen müssen, wenn die Liebe halten soll – auch Zeit für den Sex
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