Werden die eigenen Bedürfnisse immer wieder missachtet oder hinten angestellt, leidet nicht nur die Beziehung! Selbst wenn da noch Liebe zum Partner ist – mit der Zeit dämmert einem: Wenn ich nicht untergehen will, muss ich die Reißleine ziehen.

Wer soweit ist die Flinte ins Korn zu werfen, am liebsten aber die Beziehung retten würde, muss sich klarmachen: Eine echte Beziehungschance gibt es nur, wenn etwas anders wird. Das erfordert Klartext, warum was anders werden muss und was genau das sein soll.

 

Mit einem Bein schon draußen. Warum eigentlich?

Gedanken an eine Trennung kommen nicht über Nacht. Auch wenn es einem manchmal so vorkommt. Taucht ein Beziehungsende im Kopf als Möglichkeit auf, hat das eine Vorgeschichte. Es zeigt an, dass man sich in der Partnerschaft mehr alleine als verbunden fühlt. Der häufigste Auslöser: Wenn die eigenen Wünsche und Bedürfnisse am Partner abzuprallen scheinen, beginnen viele sich innerlich zurückzuziehen. Das ist der erste Schritt raus aus der Beziehung.

Wir waren und sind total verschieden unterwegs, von selbst wird zwischen uns deshalb nichts anders

Zu Beginn einer Beziehung erleben die meisten Partner, dass es der andere gut mit ihnen meint und es ihm wichtig ist, dass es einem gut geht. Wenn dieser Eindruck kippt, im Extremfall so, dass Sie gefühlt bereits auf dem Zahnfleisch kriechen während für den Partner die Welt in Ordnung scheint, lässt sich das nur so erklären:

Sie schauen durch zwei ganz verschiedene Brillen.

Sprich, Sie erleben und bewerten Situationen, Verhalten und Äußerungen ungleich. Nicht, weil einer von Ihnen etwas falsch macht, sondern weil sie beide verschieden ticken. Jetzt und logischerweise auch in der Zukunft. Wollen Sie Ihre Beziehung retten, müssen Sie deshalb zukünftig in Ihren Blick mit einbeziehen, wie der andere tickt.

Spielräume klar machen + Grenzen setzen: Bleiben heißt, für mich muss sich genau das ändern

Bekommen eigene Wünsche und Bedürfnisse in der Beziehung zu wenig Raum, hat das nicht nur den Grund, dass die Partner durch ihre individuellen Brillen gucken. Meist hängt ein ganzer Rattenschwanz daran: Oft sind die Betroffenen nicht gut darin, ihre Wünsche und Bedürfnisse mitzukriegen und können Sie deshalb natürlich nicht in Worte packen.

Denn was man nicht bemerkt oder für sich selbst nicht klar einsortieren kann, lässt sich dem Partner gegenüber nicht verständlich rüberbringen.

Da hat man keine Chance! Der andere natürlich ebenfalls nicht.

Wenn Sie also rausfinden wollen, ob Sie gemeinsam mit Ihrem Partner noch eine Wende in der Beziehung hinbekommen können, gilt es erst einmal sich selbst in Ruhe zu sortieren:

  • Was will ich?
  • Was brauche ich?
  • Was wünsche ich mir von meinem Partner?
  • Und was mache ich in dieser Form auf keinen Fall länger mit?

Wer in diese Fragen Ordnung reinbringt wird merken: Das wirkt bereits für sich. Denn ein aufgeräumtes Inneres fühlt sich viel besser an, als innerlich im Nebel herumzutappen.

Suchen Sie sich fürs Innendrin-Aufräumen ein ruhiges Plätzchen, ausreichend Zeit und ordentlich Papier und Stifte. Ich habe drei hilfreiche Auftakt-Fragen für eine Standortbestimmung für Sie:

Womit bin ich unzufrieden?

Lassen Sie erst einmal alles raus, was Sie an der Beziehung und am Verhalten Ihres Partners stört. Unzensiert und ohne groß nachzudenken. Schließlich haben Sie ja Ihren Partner nicht vor sich, den es verletzen würde, was Sie jetzt grob oder giftig aufs Papier hauen. Deshalb ist es so wichtig, sich selbst zunächst in Abwesenheit des Partners zu sortieren. Und nur, wenn die inneren Geschosse rauskommen, kann sich zeigen was noch so da ist.

Worum geht es mir wirklich?

Im zweiten Schritt ordnen Sie Ihren aufgeschriebenen Wust. Bündeln Sie die Aspekte, die zusammenpassen, unter je einem Kernwort. Das können Oberbegriffe sein rund um Emotionen, Interessen und gemeinsame Aktionen, Zärtlichkeit und liebevolle Gesten, Sexualität, Alltags- und Lebensorganisation.

Zum Beispiel:

Unfaire Arbeitsteilung

  • „Immer muss ich im Haushalt alles machen.“
  • „Du legst dich einfach für ein Nickerchen hin – ohne mit mir abzuklären, wer sich um die Kinder kümmert.“
  • „Ich habe nie Zeit für mich, weil ich unser ganzes Leben organisiere.“

Respektlosigkeit:

  • „Wenn ich nicht deiner Meinung bin, stöhnst du auf.“
  • „Nie räumst du deine Klamotten, benutzte Gläser oder Teller weg. Ständig muss ich hinter dir herräumen.“
  • „Vor anderen machst du immer wieder Witze auf meine Kosten.“

Zu wenig Zweisamkeit:

  • „Immer sind die anderen wichtiger als ich.“
  • „Du kommst immer so spät von der Arbeit nach Hause und willst dann deine Ruhe haben.“
  • „Meine Vorschläge für gemeinsame Unternehmungen lehnst du meistens ab.“

So schälen Sie die zentralen Aspekte heraus, in denen Ihre Unzufriedenheit wurzelt. Manch vermeintlich kleine Dinge zeigen sich dann als Symptom von einem Oberbegriff und anderes fällt nicht mehr so ins Gewicht, weil die wesentlichen Dinge nun klarer vor Augen sind.

Was wünsche ich mir: Was muss anders werden? Und wie?

Schauen Sie sich Ihre zusammengeschnürten Unzufriedenheitspakete nun an und gewichten Sie sie: Welches wiegt am schwersten und ist für sie so nicht mehr tragbar? Welches ist nicht besonders schön, lässt sich aber schultern?

Dann machen Sie den nächsten Schritt: Schreiben Sie das „So nicht“ um in ein „So bitte“.

Bezogen auf die Beispiele von oben, könnte das „So bitte“ folgendermaßen aussehen:

Faire Arbeitsteilung

  • „Ich bin nicht mehr bereit dazu, den Haushalt alleine zu erledigen. Das ist mir zu viel. Es ist nötig, dass wir die Aufgaben zwischen uns neu aufteilen.“
  • „Wenn wir beide zu Hause sind, brauche ich Absprachen zwischen uns, wer gerade für die Kinder zuständig ist. Ich möchte nicht, dass automatisch ich das bin.“
  • „Ich brauche auch Zeit für mich. Um freien Raum dafür zu schaffen, ist mehr Einsatz von dir bei der Alltagsorga nötig.“

Respekt:

  • „Ich möchte, dass du dir meine Meinung anhörst und dich dafür interessierst – selbst wenn sie mal unbequem ist.“
  • „Ich bin nicht länger bereit, hinter dir herzuräumen. Jeder muss zu Hause seinen Beitrag zur Ordnung leisten.“
  • „Ich möchte nicht ausgelacht werden. Wenn du Späße machst, möchte ich mitlachen können.“

Zweisamkeit:

  • „Ich brauche es, dass du auch für gemeinsame Zeit sorgst. Für mich ist das ein Zeichen dafür, dass dir unsere Beziehung wichtig ist.“
  • „Ich würde abends gerne mit dir Zeit verbringen, mal über den Tag quatschen oder einfach so zusammen sein.“
  • „Ich möchte gerne mehr mit dir unternehmen. Toll wäre, wenn du nur mir zuliebe mal etwas mitmachst[nbsp]oder selbst Ideen einbringst.“

Achtung, hier ist ein echtes Umdenken gefordert! Verzweifeln Sie deshalb bitte nicht, wenn Ihnen diese Aufgabe nicht flüssig von der Hand geht. Manchmal hilft es, ein bisschen Abstand zu schaffen. Legen Sie Ihr Papier zwischendurch[nbsp]zur Seite, wenn Ihnen keine Ideen kommen und setzen Sie sich am nächsten oder übernächsten Tag nochmal dran.

Das ist etwas, was ich Ihnen überhaupt rate: Geben Sie sich Zeit für Ihr inneres Sortieren. Bewegen Sie die Fragen ruhig eine Weile in sich. Lassen Sie Ihre Antworten sacken, ohne sich den Druck zu machen, „Abers“ direkt zu entkräften oder praktikable Lösungen finden zu müssen. Schlussendlich wollen Sie erst einmal bloß klarkriegen, worum es bei Ihrer Unzufriedenheit tatsächlich geht, was für Sie No-gos in der Beziehung sind und wo Sie Spielraum sehen.

Ihre eigene Position zu finden, ist ungemein wichtig. Sie führt Ihnen – und im zweiten Schritt dem Partner – vor Augen, wenn (und weshalb) es in Ihrer Beziehung fünf vor zwölf ist.

Wer sich selbst erforscht hat, dessen Position steht auf festen Füßen. Deshalb knickt man im Gespräch mit dem Partner in seiner Meinung dann auch nicht so schnell ein. Selbst wenn der andere einen zu beschwichtigen versucht. Man weiß nämlich, dass es Selbstbetrug wäre und man in kurzer Zeit wieder an der gleichen Stelle stünde.

Nur so kann für den Partner deutlich werden, dass sich tatsächlich zwingend Dinge ändern müssen, um die Beziehung zu retten.

Hinzu kommt, dass jemand der weiß, was er will, besser verhandeln kann. Vielleicht merken Sie allerdings durch die Beschäftigung mit den Fragen, dass der Zug eigentlich längst abgefahren ist und es nichts mehr zu verhandeln gibt. Dass Sie der Beziehung keine Chance mehr geben – oder nicht mehr wollen.

Ein Auftaktgespräch mit dem Partner führen

Es gibt den schönen Spruch „sprechenden Menschen kann geholfen werden“. Den gilt es nun zu beherzigen. Mit dem Herausschälen Ihres Standpunktes haben Sie die Vorarbeit geleistet, um sachlich mit Ihrem Partner reden zu können. Jetzt gehts ans Eingemachte! Das ist nicht immer leicht. Doch das Ziel ist ja, im besten Fall die Beziehung zu retten. Dazu müssen beide Partner ins gleiche Boot. Damit das gelingen kann, gilt es Einiges zu beachten.

Sich verabreden

Als Allererstes: Erliegen Sie bitte nicht der Versuchung, vor lauter Aufregung und Unwohlsein das Ganze bloß nebenbei anzusprechen. Damit würden die Chancen schrumpfen, dass Ihr Partner erfasst, wie ernst die Lage ist und worum es Ihnen wirklich geht. Verabreden Sie sich mit Ihrem Partner zu einem Gespräch bei dem Sie beide ungestört sind und den Kopf frei haben. Sie können so ein schwieriges Gespräch auch mit meiner Unterstützung führen.

Das Gesprächsziel im Kopf

Wenn Sie dann zusammen sitzen ist es wichtig, dass Sie die ganze Zeit über Ihr Ziel für das Gespräch im Kopf behalten und verfolgen. Ihr Partner soll erfassen, dass Sie unglücklich sind und die Beziehung für Sie so nicht weitergehen kann. Um mehr geht es in diesem ersten Gespräch nicht.

Rechnen Sie bitte damit, dass Ihr Partner ad-hoc alles andere als geschmeidig reagieren wird. Selbst wenn Sie versuchen, Ihr Anliegen ruhig und ohne Vorwurf rüberzubringen. Vermutlich war für Sie beide vorher klar, dass die Dinge nicht rund laufen. Wenn aber einer ausspricht, wie krass die Lage für ihn tatsächlich ist, ist der andere trotzdem oft überrascht und geschockt. Reagiert Ihr Partner mit Vorwürfen, Rechtfertigung und Kleinreden oder einem Du-bist-auch-nicht-besser, können Sie das also als puren Selbstschutz werten. Lassen Sie sich bitte nicht dazu hinreißen, darauf einzugehen. Dann finden Sie sich nämlich ganz schnell auf irgendwelchen Nebenschauplätzen wieder. Reagieren Sie mit einem Stopper: „Stopp! Darum geht es mir nicht. Ich will keine Vorwürfe machen, sondern deutlich sagen, wie es mir schon länger in unserer Beziehung geht“.

Den Auseinandersetzungs-Vorsprung berücksichtigen

Halten Sie fest im Blick, dass das zunächst bloß ein „Ich sage dir, wie es mir geht“-Gespräch ist. Und dass Sie einen Auseinandersetzungs-Vorsprung haben. Sie konfrontieren Ihren Partner mit dem Ergebnis Ihres Nachdenkens. Vielleicht legen Sie sich schon vorher einen Satz zurecht der rüberbringt, dass Ihnen die Beziehung wichtig ist und deshalb Ihr Partner wissen soll, wie schlecht es Ihnen in der Beziehung geht. Und wie es um Ihre Bedürfnisse und Wünsche an die Partnerschaft steht. Machen Sie deutlich, dass Ihre Worte nicht als Vorwurf gemeint sind, Sie nichts aufrechnen oder irgendwas durchdrücken wollen. Bitten Sie Ihren Partner darum, in diesem Gespräch erst einmal nur Ihre Situation zu erfassen und zuzuhören.

Dem Partner Zeit zum Sortieren geben

Erzählen Sie Ihrem Partner davon, dass Sie sich mit diesem Thema eine Weile beschäftigt haben. Dass Ihnen das geholfen hat, Ihren Standpunkt zu finden. Signalisieren Sie ihm, dass er das Gehörte erst einmal verdauen und sich in Ruhe sortieren kann:

o Was hat mir meine Partnerin erzählt? Erkenne ich das als gemeinsames Beziehungsproblem an oder sehe ich das völlig anders?

o Wie geht es mir ganz unabhängig davon? Die Auftakt-Fragen für eigene Klarheit nützen dem Partner genauso!

Gemeinsam sachlich werden und einen Vertrag miteinander schließen

Im nächsten Gespräch werden dann beide Seiten einbezogen. Wichtig ist, dass Sie sich tatsächlich zu einem zweiten Gespräch zusammensetzen und das Ganze nicht versandet. Natürlich vorausgesetzt, es stellt sich nicht vorher heraus, dass es keine Zukunft für die Beziehung gibt. Zum Beispiel weil der Partner komplett blockt und eine Auseinandersetzung ablehnt oder selbst damit kommt, dass er die Beziehung beenden möchte. Sowas kann eine harte Nuss sein oder es[nbsp]überrascht Sie ein Gefühl von Erleichterung.

Wir reden über unangenehme Gespräche, ja. Trotzdem höre ich in meinen Beratungen Paare oft sagen: „So offen und intensiv haben wir ewig nicht gesprochen. Das fühlt sich gut an.“ Damit diese Annäherung nicht verpufft, sollten Sie zu dem Punkt kommen, an dem Sie konkret werden und Absprachen zu Veränderungen innerhalb der Beziehung treffen. Am besten, Sie schließen hierüber einen Vertrag miteinander und haben Ihre Ziele schwarz auf weiß vor Augen. Denken Sie bitte daran:

Veränderungen passieren selten von jetzt auf gleich,
sondern brauchen in der Regel Zeit.

Der Alltag läuft aber währenddessen weiter. Klare Vereinbarungen zu treffen, die beide tragen, ist deshalb nicht nur ein wichtiges Commitment. Vor allem bringt es Klarheit und Ruhe rein: Für beide wird es eher möglich, im Alltagsallerlei den Kurs zu halten, wenn er konkret festgelegt und fixiert ist. Gute Absichten alleine halten dem Sturm der täglichen Pflichten nämlich nicht stand und gehen schnell baden – ohne dass eine böse Absicht dahintersteckt.

So könnte eine Vereinbarung aussehen:

Fallstricke im Umgang mit Verträgen

Wer auf solch einer formalen, sachlichen Ebene miteinander ins Gespräch kommt, der läuft weniger Gefahr in die Drohgebärde-Falle oder das „Wenn du nicht, dann mach ich…“-Erpressen zu schliddern.

Dennoch hat ein Vertrag ja das Ziel etwas abzusichern: indem etwas Bestimmtes getan und etwas anderes unterlassen wird. Deshalb ist es wichtig, bei den Absprachen realistisch zu bleiben.

Was, wenn dennoch einer vertragsbrüchig wird? Darüber sollte man vor dem „Vertragsabschluss“ auch reden. Ohne sich darüber[nbsp]im Klaren zu sein, wäre die ganze Aktion nur Goodwill getreu dem Motto „Papier ist geduldig“. Aber er dient schließlich als Rettungsring beim Kampf um Ihre Beziehung.

 


Petra Nordhaus ist systemische Therapeutin und arbeitet als Paarberaterin mit Paaren und mit Einzelnen in Bremen (petra-nordhaus.de).

 

 

 

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