Die Liebesblogger

Selbstaufgabe in seinem Haus

Vor einem Jahr habe ich (32) meinen heutigen Partner (38) kennengelernt. Seit drei Monaten wohnen wir auch zusammen. Ich bin zu ihm gezogen, da er ein Haus besitzt und verwurzelt ist in seiner Heimat. Ich hatte auch immer von einem Eigenheim geträumt, gleichwohl eines, das ich nach meinen Vorstellungen bewohnen und mit Betreiben „darf“. Die meiste Zeit verstehen wir uns gut, unsere Wesen und unser Zusammenleben sind jedoch auch von Differenzen geprägt. Besonders schwer fällt mir der Umgang mit seiner Vergangenheit.

Während ich nicht allzu lange Beziehungserfahrungen (max. 3 Jahre) habe, studiert habe und viel im Ausland war, hat mein Partner bereits mit 20 Jahren das Grundstück gekauft und vor 7 Jahren mit seiner damaligen Freundin das Haus gebaut. Die für mich im Haus dauerpräsente Ex-Freundin macht mir zu schaffen und er erklärt mir zum Beispiel auch, dass ich das Klo falsch putze und dass das seiner Ex auch schon passiert ist. Gibt es einen Tipp, wie ich damit leichter leben kann und nicht so oft traurig aufwache?

 

Nein, es gibt leider überhaupt und gar keinen Tipp, wie Sie „leichter“ damit leben können und „nicht so oft traurig aufwachen“. Die Wahrheit ist so: Je schneller Sie verstehen, dass es ein Fehler war in sein Haus zu ziehen, desto seltener werden Sie traurig aufwachen. Die Regel heißt: Ziehe niemals in sein Haus. Da hat er mit seiner Ex gewohnt. Sie werden an jeder Ecke des Hauses auf sie treffen.

Es ist zudem in Wahrheit sein Haus und er sucht nach einer Frau, die sich dort einpasst. Er sucht keine Frau mit der er ein gemeinsames Heim schafft und vermutlich soll das Haus dieser Frau auch nicht gehören. Es ist seins.

Das fühlt sich schlecht an? Ja, das fühlt sich für sehr schlecht an – und zwar für alle Frauen die das machen, nicht nur für Sie. Vielleicht hilft Ihnen eine Geschichte weiter, eine reale Liebesgeschichte die in Wahrheit gar keine Liebesgeschichte ist, sondern vielmehr eine ziemlich traurige Geschichte vom Scheitern in der Liebe.

 

Häuser baut man gemeinsam

 

Neulich kam eine Klientin nach drei Jahren wiederum zu mir in die Beratung. Sie hatte mich seinerzeit konsultiert, weil ihr neuer Partner gerne wollte, dass sie zu ihm in sein Haus zieht. Ich habe ihr damals abgeraten. Und ihr Gefühlsleben hat gegen den Einzug dort ziemlich deutlich rebelliert. Allerdings hat ihr Verstand ihr gut zugeredet (Ach, nun hab dich doch nicht so!). Sie hat es trotzdem gemacht. Sie sehen schon, der Einfluss von Beratern auf Ratsuchende ist nicht sehr groß. Aber es ist ja auch nicht mein Leben.

Die Frau die drei Jahre später vor mir saß, was ein Schatten ihrer selbst und hatte nichts mehr von dem Strahlen das sie mal ausgezeichnet hatte. Was war passiert? Sie hatte drei Jahre in seinem Haus gewohnt. Das war schon alles.

Der Mann war Ingenieur und hatte klare Vorstellungen, was in seinem Haus zu passieren hatte und wie es zu passieren hatte. Und was in seinem Haus nicht zu passieren hatte und wie man es unter gar keinen Umständen machen sollte. Es war nicht Teil seiner Vorstellungen, dass sie mitbestimmen sollte. Im Gegenteil: Jede Schramme auf dem Parkett hielt er ihr vor. Sie hatte sein Parket verschrammt! Unglaublich.

Mein Klientin hat diese seelische Tortour drei Jahre durchgehalten. Der Preis dafür war erkennbar hoch. Sie war ein Schatten ihrer selbst.

Ich wundere mich oft, mit welcher Naivität Regeln, die für Jahrzehnte und möglicherweise sogar für Jahrhunderte gegolten haben, heute einfach so über Bord geworfen werden. Meine Eltern haben sich ein Haus gebaut. Viele Paare taten das in den 60er Jahren. Und glauben Sie mir: Niemand baute sich seinerzeit alleine ein Haus. Jedem war klar, dass er danach niemals eine Frau finden würde. Häuser baut man gemeinsam. Heute dagegen treffe ich auf Singles, die mit 30 Jahren ein Haus besitzen und angeblich auf der Suche nach einer Frau sind. Aber alle Frauen laufen ihnen in kurzer Zeit davon. Diese Männer sind an das Haus gebunden, die Frau aber soll sich einpassen. Eine Frau spürt über kurz oder lang, dass Sie dort keinen Ort hat, sie selbst zu sein.

Sich alleine ein Haus zu bauen bedeutet etwas. Vermutlich bedeutet es, dass er ein Ichling ist. Es geht in seinem Leben in erster Linie um ihn. In zweiter Linie geht es dann wiederum um ihn. Und in dritte Linie geht es  dann um Sie. Der Ichling genießt sein eigenes Glück. Für ein gemeinsames Glück ist er kaum zu gewinnen. Sie können jetzt auch ein moderneres Wort als Ichling nehmen, Egoist zum Beispiel. So wirkt er möglicherweise gar nicht auf Sie. Auf mich allerdings schon. Welche Fehler Sie beim Putzen der Toilette machen, das hat er Ihnen ja schon mit aller Rücksichtslosigkeit zu der er fähig ist, erklärt. Sie haben doch tatsächlich in seinem Haus die Toilette falsch geputzt!

 

Er hat schnell festgestellt, dass Sie ausgesprochen anpassungsbereit sind – deshalb hat er sie gewählt

 

Und Sie haben sich ganz augenscheinlich nicht gegen dieses übergriffige Verhalten verwahrt. Sie haben nicht ihren Koffer gepackt und ihm gesagt, dass er sich für so einen Umgang eine andere Frau suchen muss. Genau das war aber ihr Job.

Der Ichling mag ein auf sich selbst zentrierter Mensch sein, er ist aber in der Einschätzung anderer nicht dumm. Er hat, als er Sie kennengelernt hat, schnell festgestellt, dass Sie ausgesprochen anpassungsbereit sind. Deshalb hat er sie gewählt. Nun stellt er sie vor die Proben ihrer Anpassungsbereitschaft. Sind Sie in der Lage ohne Murren zu verstehen, wie man eine Toilette richtig putzt? Passen Sie sich glücklich und mit einem frohen Lächeln in das von ihm entworfene Leben ein?

Seiner Ex ist das alles nicht dauerhaft gelungen. Sie hat das Weite gesucht. Auch Ihnen wird es langfristig nicht gelingen. Und auch meine Klientin, die so traurig und geschafft vor mir saß nicht. Weil es nicht möglich ist. Weil es zu viel Selbstaufgabe erfordert. Weil ihr Gefühlsleben schon jetzt rebelliert und Sie morgens mit trauriger Stimmung und trübseligen Gedanken aufwachen lässt. Ich bin dafür, dass Sie morgens lachen und sich auf den Tag freuen. Und nicht nach Tipps suchen, wie Sie sich besser anpassen können.

 

 

 

 

12 Kommentare

  1. Hilde

    Hallo, ich finde auch sie sollte so schnell wie möglich ihrer Gesundheit willen ausziehen.
    Ich hatte mal einen Witwer kennen gelernt und auch da übernachtet. Die Wohnung war nach zwei Jahren immer noch so eingerichtet als würde seine Frau noch leben. Als ich morgens aufgewacht bin, hatte ich das Gefühl dass sie gleich zur Türe rein kommt. Als er dann noch mit seinen Kindern Weihnachten so feiern wollte wie früher (also Essen, Baum schmücken usw.) habe ich Gott sei Dank das Weite gesucht. Das geht mit einer neuen Partnerin garnicht.

  2. Katharina

    Absolut korrekte Bewertung der Situation.
    Könnte glatt der Ingenieur sein, den ich letztes Jahr kennengelernt habe. Die Mama wohnt auch noch im Haus und er wundert sich allen ernstes, wieso die Frauen schreiend vor ihm weglaufen.
    Sex ist ihm natürlich ganz wichtig!
    Den gab es von mir aber nicht, da er – wie viele Männer heutzutage – überhaupt nicht kapiert, wie man eine Frau kennenlernt, ihre Seele wertschätzt.
    Natürlich hat er mir dann jammernd seine Impotenz gebeichtet.
    Dennoch hält er sich für einen Jackpot.

    Aber noch mehr entsetzen mich die Frauen, die sowas allen Ernstes mitmachen, nur weil sie nicht alleine sein können. Das ist zum fremdschämen…

    Selbst wenn frau es mit solchen Männern gut meint und auf Entwicklung hofft, die sind völlig undankbar und passiv-aggressiv und ich finde das merkt man sehr schnell. Wenige Wochen, maximal drei Monate. Wer länger braucht, steht auf dem Schlauch!

  3. Christiane

    Ich habe genau das erlebt. Ich durfte zwar am Haus mitplanen und meine komplette Freizeit mit in den Bau stecken, aber finanziert hatte er es und es war seins. Kratzer führten zu Ausrastern, Kleckse und Spritzer von Essen wurden fotografiert, um mir später vorzuhalten wie unfähig zu putzen ich sei. Die gemütlichen Korbsessel vorm Haus wären im Weg wegen des Pflasters, was noch verlegt werden müsse. Was jetzt 4 Jahre nach dem Auszug dort nicht liegt. Zwei Jahre habe ich ausgehalten , dann war ich am Ende und konnte mich und meine Tochter nur noch mit dem Auszug retten. Leider habe ich mich durch den schönen Schein des Egoisten blenden lassen. So wie viele unserer Freunde und Bekannten. Die sagten wie nett und hilfsbereit er sei. Aber die hat er ja nicht angeschrien als ihnen der Kaffee auslief und die Fugen versaute. Ach und obendrein wollte er am liebsten selber gar nichts putzen, sondern alles gemacht haben, 160 qm. Pascha, nannte ihn meine Freundin. So war’s am Ende. Leider wäre es so und so nie gut gegangen in diesem Haus. Man baut auch nicht „sein“ Haus.

  4. Agnes

    Wow, ich bin sowas von begeistert von der Antwort auf diese Leserfrage. Einfach und direkt auf den Punkt. Toll!

    • Susanne

      Ich schließe mich deinem Kommentar an.

    • Christian Thiel

      Danke für das Lob. Ich neige zu klaren Worten – und die Traurigkeit mit der die Fragerin morgens aufwacht gab ja schon den wichtigsten Hinweis. Sie kann nicht mehr und braucht eine Bestätigung dafür, dass sie gehen darf und muss.
      Leider erreichen mich auch Kommentare, die ausfällig gegenüber dem Mann werden und ihn beleidigen. Ich gebe solche Zuschriften grundsätzlich nicht frei.
      Schöne Grüße aus Berlin
      Christian Thiel

  5. Michael

    Hallo Herr Thiel,

    bei dem Mann oben, ist da nicht ehr sein Charakter das Problem? Der obige Mann hat sein Haus mit der Ex zusammen gebaut, es eigentlich richtig gemacht, wie damals in den 60ern. Und bei der Ex auch schon kritisiert, dass sie das Klo falsch putzt…

    Was würden Sie mir raten – nach schwerer Krankheit sind meine Eltern verstorben, da war ich Mitte 30, und ich habe mein Elternhaus geerbt, in dem ich nun seit gut zehn Jahren lebe. Meine Freundin – wir sind zwei Jahre zusammen – wohnt zur Miete. Wenn wir zusammenziehen wollen: Müsste ich dann das Haus vermieten oder gar verkaufen, damit wir uns gemeinsam etwas Neues suchen können?

    Vielen Dank.

    • Christian Thiel

      Lieber Michael,
      er hat das Grundstück schon viele Jahre vorher gekauft, um da zu bauen. Aber natürlich geht es hier um Charakterfragen. Es gibt Männer, die sind an Häuser deutlich enger gebunden, als an ihre Frauen.
      Was würde ich Ihnen nun raten? Das ist im Grund ganz einfach: Die Frau muss die Wahl haben. Sie sind also bereit, ihr zuliebe auch in ein anderes Haus zu ziehen. Dann hat sie eine Wahl.
      Ich hatte so einen Fall neulich in der Beratung. Der Mann hat sein Elternhaus dafür verkauft, mit seiner Partnerin in ein eigenes Haus zu ziehen.
      Hat die Frau die Wahlmöglichkeit, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie zum Mann zieht (und das es gut ausgeht). Wichtig ist, dass sie Gestaltungsmöglichkeiten hat. Die sind in einem Haus in dem er seit zehn Jahren alleine lebt (aus emotionalen Gründen) oft nicht so groß. Das ist ja auch keine Spezialität von Männern – hat die Frau ein Haus und er zieht zu ihr, dann ist das auch in aller Regel sehr schwierig.
      Schöne Grüße aus Berlin
      Christian Thiel

  6. Elke Gersdorf

    Den letzten Satz von Ihnen, Herr Thiel, möchte ich aufgreifen und um noch einige Ergänzungen bitten, wenn der Fall umgekehrt vorliegt:
    Eine Freundin ist mit ihrer Lebenssituation unzufrieden, weil ihr Freund immer noch nicht in ihr Haus ziehen will, in dem sie mit erwachsenem Sohn und ihrer Mutter seit ihrer Kindheit lebt. Sohn und Mutter bewohnen jeweils getrennte Bereiche (Etagen).
    Meine Freundin hat sich von ihrem langjährigen Ehemann getrennt, der mit ihr in ihrem Haus wohnte und ausgezogen ist.
    Der neue Partner meiner Freundin ist auch immer noch nicht geschieden und wohnt allein in einer eigenen Wohnung. Er ist aber „fast immer“ bei ihr.
    Wie sollte sie jetzt handeln?

    • Christian Thiel

      Ändern sich die Geschlechter in der Geschichte mit dem Haus, dann ändert sich – nichts.
      Ich finde, Ihre Freundin kann sich glücklich schätzen, wenn der neue Partner (offensichtlich) so gerne bei ihr ist.
      Ein gemeinsames Nest ist das aber in meinen Augen noch nicht. Und möglicherweise ist es das auch in den Augen des Mannes nicht.
      Trotzdem hilft bei solchen Überlegungen oft die Zeit. Leben die beiden einige Jahre so, kann es gut sein, dass er die Wohnung seiner Partnerin nach und nach auch als seine ansieht. Ich kenne zwei Fälle, in denen die Männer zu den Frauen gezogen sind. In beiden Fällen hat es aber einige Jahre gedauert. Unser Gefühlsleben braucht für solche Entscheidungen Zeit (Zeit, die sich das Paar um das es in der Kolumne ging leider nicht genommen hat).
      Ihrer Freundin würde ich also zu Gelassenheit raten.
      Ist ihr der Mann wichtiger als das Haus, dann wäre das hilfreich.
      Ist das Haus wichtiger als der Mann, dann kann das schwierig werden.
      Ist Ihrer Freundin das Zusammenleben mit ihrer Mutter und ihrem Sohn wichtiger als ein gemeinsames Nest mit dem neuen Partner, kann es noch schwieriger werden.

  7. Martin

    Nicht, dass ich den Mann verteidigen will, aber ist das wirklich so mit den „ jahrhundertealten Regeln?“ Im Schwabenlande geht das Sprichwort „ Schaffe, schaffe Häusle baue und net nach de Mädle schaue…“ (!). Aber Sie leben ja in Berlin und da ist manches anders…

  8. Kathrin

    Wow. Dieser Artikel und die Kommentare haben mich in meinem Entschluss, nach 25 Jahren Beziehung, niemals in sein Haus zu ziehen absolut bestärkt !! Danke

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