Ich bin 31 Jahre alt und seit fast 5 Jahren in einer Beziehung. Auf der einen Seite bin ich mega happy und ich weiß, dass er der Richtige ist. Und auf der anderen Seite weine ich oft, weil ich mich nicht begehrt fühle. 

Wir haben nur ein Mal im Monat Sex, manchmal auch zwei Monate lang nichts. Das war schon seit Beginn so. Ich dachte bis vor Kurzem, dass es vielleicht etwas Biologisches ist, dass er wenig Lust hat und teilweise beim Sex dann auch nicht kommt. 

Doch leider hab ich entdeckt, dass mein Partner sich vier bis fünf Mal die Woche Pornos anschaut. Ich weiß durch anderen Gesprächen mit ihm, dass er bei Pornos immer kommt.  Als ich das erfahren habe, war ich sehr verletzt und angeekelt. Er meinte es sei normal und das macht jeder Mann. 

Wir hatten daraufhin wieder ein Gespräch und er meinte von sich aus, dass er schauen wird den Konsum zu reduzieren und mehr mit mir zu machen. Damit war ich erstmal zufrieden, weil ich es schön fand, dass er es von sich angeboten hat und ich mich verstanden gefühlt habe. Leider hatte ich seitdem allerdings zwei Zurückweisungen, die mich nun noch mehr verletzen, weil ich jetzt dann immer an diese Pornos denke. Selbst am Valentinstag hat er sich lieber selbst befriedigt als Sex mit mir zu haben. Ich habe mich in den Schlaf geheult und er meinte „lass uns am Wochenende dafür Zeit nehmen“. 

 

„Ich habe mich in den Schlaf geheult“ klingt gar nicht „mega happy“. Partnerschaften sind nicht dafür da, dass wir uns in den Schlaf heulen, weil der Partner die Sexualität meidet. Oder genauer: Weil er die partnerschaftliche Sexualität meidet. Und stattdessen regelmäßig Solo-Sex hat.

Sexualität ist ein Dialog, sagt die moderne Sexualwissenschaft. Sie ist ein Geben und Nehmen zwischen zwei Menschen. „Sexuelle Körperkommunikation“ nennt das der bekannte Sexualtherapeut Christoph Joseph Ahlers. „Sex ist die intimste Form der Kommunikation die uns Menschen zur Verfügung steht.“

Damit sind wir beim ersten Problem. Das was ihr Partner beim Solo-Sex macht, ist ein Monolog. Er meidet die persönliche Begegnung mit Ihnen. Er meidet das Geben und Nehmen.

Ich höre solche Geschichten in den letzten Jahren immer mal wieder. Junge Männer beginnen ihre Auseinandersetzung mit der menschlichen Sexualität nicht in der Realität – sondern im Bereich der Pornografie. Haben sie dann das erste Mal realen Sex, dann haben sie schon hunderte oder gar tausende Male Solo-Sex mit pornografischen Bildern erlebt.

 

Viele Männer die an Pornos gewöhnt sind, finden Solo-Sex erfüllender als partnerschaftliche Sexualität

 

Pornografie ist aber ein Unterhaltungsmedium – und nicht die Realität. Realer Sex enttäuscht diese Männer in vielen Fällen. Er ist so ganz anders als das was sie kennen. Sie sind das Geben und Nehmen nicht gewohnt. Sie kommen nicht damit zurecht, dass auch ihr Gegenüber Wünsche und Bedürfnisse hat. Deshalb finden sie Solo-Sex erfüllender als partnerschaftliche Sexualität. Und deshalb meiden sie den Sex mit der Partnerin.

Es gibt noch einen zweiten sehr häufigen Effekt von Pornografie – den Leistungsdruck. Neudeutsch sprechen wir von Performance-Druck. Die Angst nicht gut zu performen ist heute leider Teil der sexuellen Begegnung. Für Männer wie für Frauen. Sie ist aber bei Männern die Pornografie nutzen oft besonders groß. Die Folge: Erektionsprobleme. Orgasmus-Probleme.

Beides fühlt sich nicht gut an und wie alle Menschen neigen auch Männer dazu, negative Erfahrungen zu umgehen. Also meiden diese Männer die reale Sexualität. Sie meiden sie, weil sie sie weniger befriedigt als der Solo-Sex und weil sie bei ihnen zu Stress führt. Zu Performance-Druck.

 

Die Pornografie hat sein sexuelles Erleben verändert und geprägt

 

Nun kommt noch unser Gehirn ins Spiel.

Er kann beim Sex mit Ihnen möglicherweise nicht kommen, weil der reale Sex mit Ihnen nicht so ist, wie der Solo-Sex. Die Pornografie hat sein sexuelles Erleben verändert und geprägt. Sie konnte das, weil sie (vermutlich) sehr früh in seiner Entwicklung eingesetzt ist. Und weil er (vermutlich) schon um die 3.000 Mal Sex auf diese Weise hatte. Aber nur rund 100 Mal realen Sex. Auf mehr komme ich nämlich nicht, wenn ich die Zahlen die Sie genannt haben zur Grundlage für eine Rechnung nehme.

Jetzt kommt noch ein drittes Problem hinzu. Viele Männer spielen bei der realen Sexualität Pornos nach. Sie treten also beim Sex nicht in einen wirklichen Dialog mit ihrer Partnerin, sondern erwarten von der, dass sie alles „geil“ findet, was er aus Pornos kennt. Hinzu kommt, dass sie das Gespräch über Sex meiden – und das ist der allerschnellste Weg zu schlechtem Sex. Ist der reale Sex schlecht, dann gibt es einen weiteren Grund, ihn zu meiden.

Womit wir bei meiner Frage an Sie wären: Wie unzufrieden sind Sie mit der partnerschaftlichen Sexualität? Und wie lange ist das schon so? Es hilft ja alles nichts, sich über den Partner zu beklagen. Ich habe mich gefragt, was Sie in den letzten Jahren gemacht haben, um mit Ihrem Partner guten Sex zu haben. Es klingt ein wenig so, als wenn die Antwort lautet: Nichts.

 

Wenn Sie ihm wichtiger sind als die Pornografie, dann hat Ihre Beziehung und Ihre Sexualität eine echte Chance

 

Ich fürchte, das müssen Sie ändern. Das was Ihr Partner macht, ist eine Form der Untreue. Er hat leidenschaftlich gerne Sex mit seiner linken Hand. Aber nicht mit Ihnen. Und das fühlt sich miserabel an, so miserabel dass Sie sich in den Schlaf weinen.

Sie werden sich überlegen müssen, ob Sie sich weiterhin miserabel fühlen wollen. Lautet die Antwort „Nein“, dann müssen Sie eine klare Ansage machen. Die lautet nach allem was ich davon verstehe: Die Pornos oder ich. Wenn Sie ihm wichtiger sind als die Pornografie, dann hat Ihre Beziehung und dann hat Ihre Sexualität eine echte Chance. Sind aber die Pornos wichtiger, dann ist die ganze Beziehung die Sie führen eine Art Selbstbetrug.

Nehmen Sie bitte all Ihren Mut zusammen und stellen Sie ihn vor die Wahl. Ihm muss klar sein, dass er Sie verliert, wenn er so weitermacht. Erst dann bewegt er sich. Möglicherweise.

Gut möglich, dass er für Veränderungen professionellen Rat braucht. Ich halte es für hilfreich, wenn Sie beide zusammen eine Sexualberatung aufsuchen. Ehrlich gesagt habe ich mich gewundert, warum Sie das nicht schon lange gemacht haben. Sie leben seit fünf Jahren mit diesem Problem. Was würden Sie dazu sagen wenn bei Ihrer Arbeit eine Kollegin ein gravierendes Problem seit fünf Jahren vor sich herschiebt?

Zudem: Das ganze Internet ist voll mit Informationen über den Zusammenhang von Pornografie einerseits und der männlichen Unlust an realem Sex andererseits. Es ist nicht wirklich schwer, das herauszufinden. Wenn man es wissen will.

 

 

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Zum Zusammenhang von männlicher Unlust und Pornografie gibt es im Podcast „Die Sache mit der Liebe“ eine Folge mit der bekannten Sexualtherapeutin Ann Marlene Henning. Zu dieser Folge geht es hier.