Die Liebesblogger

Im nächsten Jahr wird alles anders

Eine Silvester-Geschichte von CHRISTIAN THIEL

 

Die Silvesterraketen schossen laut jaulend in den Himmel. Meine Freunde prosteten sich zu und lagen sich in den Armen. Das nächste Jahr begann. Unten auf der Straße küssten sich die Paare. Ich aber war wieder einmal allein, ohne Partnerin. Es war ein Gefühl des tiefsten Alleinseins. In diesem Moment wusste ich: Das wollte ich nicht noch einmal erleben. Beim nächsten Silvesterfest würde ich nicht alleine sein. Das nächste Jahr sollte nicht beginnen, wie alle die Jahre zuvor.

 

So stand ich in dieser eiskalten Silvesternacht zitternd mit einem Sektglas auf meinem Balkon und wusste: Noch morgen würde ich auf die Suche gehen. Singlesein war gestern. Die Zukunft aber, das sah ich klar und deutlich vor mir, würde ich an der Seite einer Frau verbringen.

Ich besprach mein Vorhaben zunächst mit Monika, einer alten Freundin, die seit Jahren fest liiert ist. „Hast du schon mal über eine Kontaktanzeige oder eine Suchbörse im Internet nachgedacht?“, fragte sie mich ganz ungeniert. Ich goss vor Schreck den Inhalt meines Weinglases über ihren Küchentisch. Monika war wirklich meine allerbeste Freundin, wie konnte sie mich nur so demütigen? „Das ist doch wohl eher etwas für schwer Vermittelbare“, presste ich heraus.

Ich war noch ganz benommen von Monikas unsensibler Bemerkung, da setzte sie nach: „Wie viele Singlefrauen hast du denn im letzten Jahr kennen gelernt?“ Ich brauchte eine Weile, bis ich die passende Zahl beieinander hatte „Zwei bis drei“, sagt ich und schaute zu ihr hinüber. Ihr Blick war triumphierend. Ich kenne das. Diesen seltsamen Blick hat sie immer, wenn sie glaubt, mich mit ihrer nächsten Bemerkung schachmatt setzen zu können. „Z.w.e.i…b.i.s…d.r.e.i“, wiederholte Monika und zog dabei jedes Wort wie einen frischen Kaugummi in die Länge. „Ich kenne da eine Untersuchung, aus der geht hervor, dass du 100 Frauen kennen lernen musst, um die zu finden, die zu dir passt. Wenn du 100 durch ´zwei bis drei´ teilst, dann …“

„Ich war in Mathe immer der Beste“, unterbrach ich sie abrupt und stand unvermittelt auf. Vielleicht war es besser, einmal mit meiner Freundin Karin zu reden, die ich vor drei Jahren in einem Yoga-Kurs kennen gelernt habe. Wahrscheinlich war Monika doch nicht meine beste Freundin.

 

Ist die Liebe und ob wir sie treffen vielleicht Schicksal?

 

Karin hielt Monikas Ansicht von den 100 Frauen, die ich kennen lernen müsse für völlig abwegig. „Liebe ist Schicksal“, sagte sie sanft. „Sie zu suchen, ist nicht möglich. Wenn wir bereit sind für die Liebe, dann treffen wir sie auch.“ Ich war seit sechs Jahren bereit für die Liebe. Geholfen hatte mir das nicht.

Ich habe es dann doch mit einer Anzeige versucht. „Schreib rein, was du gerne machst“, riet mir Monika. „Nicht diesen Unfug von wegen ´humorvoller Mann sucht attraktive Frau´. Ich kaute einen verregneten Sonntagnachmittag lang an meinem Bleistift und verschwendete eine ganzes Paket Kopierpapier. Doch am Ende war ich mit meinem Text rundum zufrieden. „Tageslichttauglicher Mann mit Lust auf klassische Musik (Zauberflöte) und Fahrradtouren (nicht über 20 Kilometer). Ich (46/194/80) koche gerne für Freunde und habe einen Hang zum Leben auf dem Land. Keine Flirts – suche Eine für immer und ewig.“Ich bekam 27 Zuschriften.

Irgendwie war ich doch erstaunt, wie viele interessante Frauen auf meine Anzeige antworteten. Immerhin acht Briefe landeten auf den Haufen mit den drei Sternen, sieben sortierte ich aus, die restlichen kamen auf den Vielleicht-Stapel.

Das erste Treffen traf mich hart. Ich kam abgehetzt aus dem Büro und freute mich auf einen unterhaltsamen Abend. Da hatte ich aber nicht mit Marlies und ihren zahlreichen Problemen gerechnet. Sie erzählte von ihrer gescheiterten Ehe, von ihrem cholerischen Chef und von den Problemen mit den Kindern. „Für mich schien sie sich gar nicht zu interessieren“, beklagte ich mich bei Monika. Monika reagierte kühl. Ungerührt entgegnete sie: „Ist es nicht ein wenig unrealistisch, gleich vom ersten Treffen die Frau fürs Leben zu erwarten?“

„Sicher“, sagt ich zögernd. Es war jetzt Ende März. Ich hatte mit meiner Suche noch nichts erreicht. Noch neun Monate bis Silvester.

 

 

Uff – diese Körbe!

 

Die nächsten Verabredungen liefen besser. Doch nun ergab sich für mich ein ganz anderes Problem. Ich bekam Absagen. Immer, wenn ich eine Frau gerne wieder sehen wollte, bekam ich einen Korb.

„Körbe zu bekommen“, erklärte Monika, „ gehört für Männer leider zu den absehbaren Folgen der Partnersuche.“ Sie klang sehr sachlich wie sie das sagte, beinahe wie eine Dozentin an der Uni. Ich schaute sie verdutzt an. „Frauen sind in der Regel wählerischer als Männer“ ergänzte sie. Sie muss meinen entsetzten Blick bemerkt haben, denn sie setzte schnell hinzu: „Das liegt daran, dass Frauen oft genauer wissen, was sie wollen. Und so muss ein Mann oft manche Absage einstecken, ehe sich der Erfolg einstellt. Männer müssen also lernen, Niederlagen mit Anstand einzustecken. Am besten ist es, wenn du dir sagst: ´Gut, dass die Frau so schnell gemerkt hat, dass wir beide nicht zueinander passen.´ Und dann geht es auf zum nächsten Treffen.“

Draußen tobten die Kinder durch den sonnigen Mai. Ich hatte immer noch nichts erreicht. Noch sieben Monate bis Sylvester. Alle Hoffnung, noch bis zum Jahresende eine Frau zu finden verließen mich bei Monikas Worten. Sie schaute mich mitfühlend an. Ich versuchte es mit der Wahrheit: „Mir ist so elend zu Mute.“

„Ich bin mir sicher, du wirst die Richtige finden“, sagte sie noch. Ach, wie schön ist es doch, gute Freunde zu haben! Ich war so gerührt über ihre Zuversicht. Auf dem Weg nach Hause ging mir Monikas Satz „Gut, dass die Frau so schnell gemerkt hat, dass wir nicht zueinander passen“ nicht mehr aus dem Sinn. Vielleicht hatte sie ja Recht. Ich sollte Absagen wirklich nicht so persönlich nehmen.

Meine Anzeige war unterdessen zum dritten Mal erschienen. Ich hatte noch „Vollbäder bei Kerzenschein“ hineingeschrieben, weil Monika fand, mein Text könne noch ein wenig Romantik vertragen. Immer noch kamen so viele Antworten, wie beim ersten Mal. Die Frauen, auf die ich in den nächsten Monaten traf, wirkten allesamt so, als wenn sie ebenfalls eine längere Unterhaltung mit Monika hinter sich hatten. Immer wenn ich ein weiteres Treffen vorschlug, entgegneten sie: “Ich glaube, wir beide passen nicht zueinander.“ Auch nach mehrfachem Nachfragen ließen sie sich keine Begründung dafür entlocken.

 

Was ist nur falsch an mir?

 

„Was ist denn nur falsch an mir?“, fragte ich Monika. Es war unterdessen Anfang September geworden. Die ersten Blätter an den Bäumen färbten sich gelb. Ich hatte nun schon an die 20 Absagen einstecken müssen. Ich hatte nichts erreicht mit meiner Suche und in vier Monaten war Silvester.

„Nichts ist falsch an dir“, erwiderte Monika tadelnd. „Denk doch nicht so was! Es war nur einfach noch nicht die Richtige dabei. Eine die deine Qualitäten auch zu schätzen weiß. Die, die du getroffen hast, die suchten nach jemand anderem. Das ist schon alles.“ Das mit den Qualitäten gefiel mir ausnehmend gut. Aber so sehr ich auch nachhakte, Monika wollte dazu nichts weiter sagen.

Es wurde November. Die Schneeflocken flogen mir ins Gesicht. Ich hatte immer noch nichts erreicht. Nun ja, fast nichts. Vier mal hatte ich mich mit Petra getroffen ehe ich feststellte, dass mein Leben auch ohne Petra ganz gut lief. Dagmar hatte mich gerne wieder sehen wollen, ich gab ihr einen Korb. Noch eineinhalb Monate bis Silvester. Ich stapfte nervös zu meiner nächsten Verabredung.

„Schau doch noch mal in den Vielleicht-Stapel“, hatte Monika mir empfohlen. Lustlos hatte ich die Zuschriften durchgesehen und mich nicht entschließen können, eine der Frauen anzurufen. Am nächsten Tag hatte ich Post: Ein Nachzüglerbrief. Ich wusste, dass alle Ratgeber zur Partnersuche empfehlen, erst nach Tagen oder sogar Wochen zu schreiben. Der Brief war außerordentlich kurz: „Ich bin die Richtige. Ruf mich an.“ Ich war verblüfft. Den ganzen Tag wiederholte ich in Gedanken diese zwei Sätze. „Ich bin die Richtige. Ruf mich an.“ Woher wollte sie das wissen?

„Versuch es doch“, sagte Monika. „Was hast du denn zu verlieren?“ Das Telefonat mit Elvira war supernett. Sie schien mir schon am Telefon tatsächlich die Richtige zu sein.

Das Café, vor dem wir uns verabredet hatten, teilte seinen Eingang mit einem Kino und mehreren Restaurants. Es war ein einziges Kommen und Gehen. Wie sollte ich Elvira hier erkennen? Sie war blond, so viel wusste. Und sie war unpünktlich. Es war zwei Minuten nach sechs und eine blonde Frau stand hier nirgendwo alleine herum.

Plötzlich bog sie um die Ecke. Ihre Brillengläser waren voller Tropfen und auf ihren Haaren lagen Schneeflocken, die hier im Licht wie Diamanten zu funkeln schienen. Sie nahm die Brille ab, um sie zu putzen. Ich sah mein nächstes Silvesterfest ganz deutlich vor mir: Ich würde meinen Freunden erzählen, dass ich verreise. Ganz alleine würde ich den Abend mit Elvira verbringen. Die Silvesterraketen würden laut jaulend in den Himmel schießen. Um Mitternacht würden wir uns küssen und ein frohes neues Jahr wünschen.

Langsam ging ich auf Elvira zu und als ich schließlich neben ihr stand, sagte ich: „Kann es sein, dass wir beide aufeinander warten?“

 

 

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Wie Sie den Partner finden, der wirklich zu Ihnen passt und auch mit ihm zusammenbleiben.

Ein Workshop von Christian Thiel – in Zusammenarbeit mit welt.de.

Zeit: 15. Februar, 10 -17 Uhr

Ort: Schloss Schönhausen

Tschaikowskistraße

13156 Berlin (Pankow)

Kosten: 195 €; (für Frühbucher bis zum 31. Januar: 170 €); inkl. Mittagsbuffet

Anmeldung: post@singleberater.de

www.singleberater.de.

 

 

 

2 Kommentare

  1. Simone Weißflog

    Hallo Herr Thiel,

    gern lese ich Ihre Kolumnen, da ich eine Singlefrau bin.

    Ich erhoffe mir immer Tipps, wie ich die Suche besser gestalten kann.
    Toll, dass Sie Ihren Erfahrungsbericht hier aufgeschrieben haben mit den Wirkungen von Theorie und Praxis.

    Fazit: leicht ist die Partnersuche nicht und kann sich als längerfristiges Projekt erweisen…mich persönlich macht es langsam traurig .
    Aber aufgeben gibt es nicht.

    In diesem Sinne alles Gute für 2020.

    • Christian Thiel

      Liebe Frau Weißflog,
      dann ist es besser einen Workshop besuchen, als traurig zu werden. Es gibt noch Plätze!
      Im Online-Workshop auch.
      Christian Thiel

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