„Seit längerem lese ich Ihre Anregungen interessiert, so auch ‚Zwei Frauen sind weniger als Eine‘. Ich selbst bin geschieden und lebe seit 6 Jahren in einer Dreiecksbeziehung mit einer Frau, die mit ihrem Mann verheiratet ist und bleibt. Dabei ist auffällig, dass wir zwei Männer keinerlei Probleme miteinander haben. Die Frau kommt mit ihrem Mann auch gut zurecht, allerdings ohne sexuellen Kontakt. Mit mir ist die Beziehung komplizierter und gleicht einer Sinuskurve mit abnehmender Wellenlänge, was mich und unsere Beziehung mehr und mehr belastet. Ich befürchte, dass es für die Frau immer schwerer wird, diesen Zwiespalt zu bewältigen.“

 

Ich teile Ihre Befürchtung. Ein Dreieck wie Sie es schildern, führt bei den allermeisten Menschen zu einer Art innerer Zerrissenheit. Auch zwei Männer sind eben weniger als einer. Das hat nichts damit zu tun, ob die beiden Männer (wie in ihrem Fall) davon wissen oder ob das alles heimlich passiert. Offene Ehen sind kein besonders gemütlicher Ort. In Ihrem Fall gilt das auch für die beiden Männer, für Sie und für den Ehemann der Frau.

Der Ehemann schaut ganz offenkundig lieber dabei zu wie seine Frau die Erotik mit einem anderen Mann sucht, als sich ernsthaft zu fragen, warum sein Begehren denn so sehr abgenommen hat. Das ist aus Sicht der Frau enttäuschend und aus meiner Sicht als Berater zumindest erklärungsbedüftig. Liegt ihm so wenig an seiner Beziehung, dass er den Gang zum Beispiel in eine Beratung lieber meidet? Immerhin könnte er dort herausfinden, warum er nicht mehr will.

 

Nachlassende Lust ist von Menschen gemacht

 

Die Frage des abnehmenden Begehrens ließe sich ja klären. Nachlassende Lust ist in Partnerschaften kein Naturgesetz, sondern in aller Regel von Menschen gemacht. Von zwei Menschen gemacht. Schade, dass er das nicht begriffen hat. Jetzt, nach sechs Jahren, ist es dafür vermutlich bereits viel zu spät. Die Uhr lässt sich jetzt nicht mehr so ohne weiteres zurückdrehen.

Aus Sicht der Frau stellt sich das Problem so dar: Sie wünscht sich nichts sehnlicher, als eine lebendige Sexualität mit dem Mann an ihrer Seite. Sexualität führt zu starken Verbundenheitsgefühlen. Sie lässt uns die Bindung an den anderen sehr deutlich spüren. Wir fühlen uns zudem auch begehrt – was das Selbstwertgefühl stärkt. Und nicht zuletzt führt Sexualität zu dem Gefühl von Heimat. Heimat in der Beziehung. Hier gehöre ich hin.

Wird die Sexualität ausgelagert (weil der eigene Mann nicht mehr will), dann wird aus Sicht der Frau auch ein großer Teil der  Verbundenheitsgefühle ausgelagert. Das gleiche gilt für die  Bindungsgefühle, die Freude am Begehrt-werden und für das Gefühl der Heimat („Hier gehöre ich hin“).

Innerhalb der Partnerschaft verbleibt dann möglicherweise noch eine innige Freundschaft sowie die Vertrautheit die durch die vielen gemeinsamen Jahre entstanden ist. Und zudem noch ein großes Stück an Gewohnheit. Das führt aus Sicht der Frau in eine zunehmend absurd erlebte Situation. Dort wo sie die Sexualität genießt ist sie nicht zuhause. Dort wo sie angeblich Zuhause ist, gibt es keinen Sex. Sie wird mit den Jahren mehr und mehr mit dieser Aufspaltung hadern und an ihr leiden.

 

Das Gefühlsleben der Beteiligten rebelliert eines Tages – zurecht

 

Aus meiner Sicht ist so eine Dreiecks-Konstruktion nicht haltbar. Das ist keine moralische Frage, sondern eine Frage des Gefühlslebens der Beteiligten. Es rebelliert eines Tages. Entweder der Ehemann stellt irgendwann fest, dass seine neue Sekretärin genau die richtige Frau ist, um das partnerschaftliche wie das sexuelle Leben fröhlich und vergnügt fortzusetzen. Der Geliebte (der die Frau möglicherweise nicht als Partnerin will) und die Ehefrau, die jahrelang sexuell von ihrem Mann abgelehnt wurde, bleiben irritiert zurück.

Oder der Geliebte stellt fest, dass er doch wieder gerne eine echte Partnerschaft führen will und verabschiedet sich höflich aber bestimmt. Die Frau muss jetzt mir seinem Verlust zurechtkommen, was sich für sie ziemlich unangenehm anfühlt. Ihre Ehe ist für sie viel zu einsam. Sie erinnern sich: In der Ehe fehlt das Begehrt-Werden, die Verbundenheit und das Heimatgefühl. Nun wird es dort noch einsamer. Sie wird jetzt von ihrem Ehemann sexuell nicht mehr begehrt und von Ihrem Lover zugunsten einer anderen Frau verlassen. Das ist bitter – und bietet erneut Zündstoff für Selbstzweifel wie für Zukunftspessimismus.

Oder aber die Frau selber kommt mit der inneren Zerrissenheit nicht mehr zurecht. Das Problem ist aus ihrer Sicht: Egal was sie tut, sie wird mit einer hohen Wahrscheinlichkeit beide Männer verlieren. Vor diesem Verlust schreckt sie (verständlicherweise) für lange Zeit zurück. Erst wenn ihre Unzufriedenheit sehr groß geworden ist wird sie handeln. In der Regel handelt sie erst dann, wenn sie merkt, dass sie durch die Lage in der sie sich mit ihren zwei Männern befindet, immer unglücklicher wird.

 

Aus Untreue wird so gut wie nie eine Partnerschaft

 

Kommen wir zu meiner Sicht der Dinge: Aus Liebschaften werden so gut wie nie Partnerschaften. Das ist eine Regel, die den meisten untreuen Menschen, Männern wie Frauen, unbekannt zu sein scheint. Die Medien berichten leider nur sehr ungern über diese Fakten und finden pikante Berichte über polyamore Paare die mit dieser Lösung glücklich und zufrieden sind wichtiger. Schade eigentlich.

Nur aus drei Prozent aller Affären wird später mal eine stabile Beziehung. Es ist zudem die scheidungsanfälligste Beziehungsform die wir kennen – weil sie aus Untreue entstanden ist. Beide Beteiligte müssen fürchten, dass die Partnerin oder der Partner diesen Weg erneut einschlägt.

Kommen wir zur wichtigsten Frage: Was können Sie nun tun? In einem Punkt ist der Zug leider schon abgefahren. Sie hätten der Frau schon beim Kennenlernen unmissverständlich klarmachen können, dass sie dafür sorgen muss, dass die gemeinsame Sexualität mit ihrem Ehemann erhalten bleibt.

Die Aussichten für so eine Lösung sinken sehr deutlich, wenn sie sich einen Lover sucht. Aus diesem Grund bin ich ziemlich klar dagegen, sich auf Liebschaften mit gebundenen Menschen überhaupt einzulassen. Warum suchen Sie sich nicht eine ungebundene Frau, die einen Lover sucht? Das ist zwar in der Regel auch keine stabile Lösung, sondern eine Bündnis auf Zeit, führt aber erfahrungsgemäß zu deutlich weniger Problemen und zu deutlich geringeren emotionalen Verletzungen.

Passen Sie bitte auf sich auf. Und werfen Sie in Zukunft bitte einen suchenden Blick auf den Single-Markt. Da gibt es genug Frauen, die sich eine Partnerschaft wünschen. Oder einen Lover.

 

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1.April

Online-Workshop: „Grundkurs: Liebe und Partnerschaft. Ein Kurs für Singles und Paare.“

Vom 1. April bis zum 27. Mai 2021

Kosten: 59 €

Anmeldung: kontakt@die-liebe-bleibt.de

Mehr Informationen zu diesem Online-Workshop gibt es hier.

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