Seit rund drei Jahren läuft es bei uns schlechter. Meine Frau und ich reden kaum noch miteinander, leben eher wie Bruder und Schwester. Ich freue mich nicht mehr nach Hause zu kommen und habe sogar schon nach Wohnungen geguckt. Wie kann ich meine Beziehung noch retten?
Keine Frage wird mir so oft gestellt wie diese. Es freut mich, dass Sie etwas unternehmen wollen. Trotzdem muss ich Sie warnen, denn das wird nicht leicht. Der Grund ist ganz einfach: Wie die meisten Paare wird Ihnen die Krise erst sehr spät bewusst. Vorher tun alle Beteiligte so, als sei alles nicht so schlimm. Wenn die Krise offenkundig wird, dann sind in der Regel schon Jahre vergangen in denen es nicht mehr gut lief.
Der erste und wichtigste Hinweis an Sie: Meiden Sie unbedingt die Schuldfrage. Schuld ist bei einer schlecht laufenden Beziehung niemand von beiden – wir sind doch nicht in einem Strafverfahren mit Richter und Geschworenen, sondern in einer Partnerschaft. Und in der geht es um Verantwortung.
Beide Partner sollten Verantwortung übernehmen dafür, dass die Beziehung gut läuft. Tun sie es nicht, kommt es zur Krise. Und beide Partner dürfen gerne auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass es mit der Beziehung nach und nach bergab ging. Beide haben etwas dazu beigetragen. Nicht einer.
Wenn Sie die Schuldfrage vermeiden, dann haben Sie Zeit und Energie, sich der wirklich wichtigen Frage zuzuwenden: Was können wir tun, damit wir beide uns einander wieder näher fühlen? Wenn Sie die Frage auf diese Weise stellen, dann sitzen Sie plötzlich in einem Boot. Das ist hilfreich. Sie beide wollen ja letztendlich dasselbe. Sie wollen sich in Ihrer Partnerschaft wohl fühlen.
Lassen Sie die Probleme bitte für einige Zeit ruhen
Im zweiten Schritt legen Sie bitte ganz bewusst Ihre Probleme für einige Tage oder gar Wochen auf Eis. Sie besprechen sie einfach nicht mehr, sondern lassen sie ruhen. Im Moment ist ein ungünstiger Augenblick um sie zu lösen. Erst muss die Stimmung zwischen Ihnen beiden wieder besser werden, dann haben Sie eine Chance, zu Lösungen zu finden.
Deshalb möchte ich Sie dazu ermuntern, es zunächst mit mehr Zuwendung, mit mehr Nähe und mit mehr Sex zu versuchen, bevor Sie sich an die schwierige Aufgabe machen, ihre Probleme zu lösen. Die Zuwendung zum Anderen zu erhöhen, das ist der Kern dessen was Sie in meinen Augen tun müssen, um Ihre Beziehung zu retten.
In meiner Praxis veranschauliche ich das gerne auf einer Flipchart und male fünf Kästchen mit einem Pluszeichen darin übereinander. Das ist die Plus-Säule. Ist sie so groß wie auf dem Bild, dann ist die Beziehung glücklich und stabil.
Die vielen Pfeile die auf das Minus-Kästchen zulaufen, stehen für das Bedürfnis von Paaren die zu mir kommen, in erster Linie über ihre Probleme reden zu wollen. Ich kann dieses Bedürfnis verstehen – die Probleme an erste Stelle zu setzen ist aber in vielen Fällen ein sehr schwieriger Weg.
Die Kollegin Nadja von Saldern, die ich für den letzten Podcast „Die Sache mit der Liebe“ zu Trennungen interviewt habe, drückt das in der Beratung gerne so aus: „Wollen wir lieber den Liebes-Topf auffüllen oder den Problem-Topf ablassen?“ Und dann malt sie zwei Töpfe auf ihre Flipchart. Der Topf mit den Problemen ist (natürlich) randvoll. Und der Topf mit der Liebe ist ziemlich leer. Zuwendung ist Mangelware, wenn Paar in die Beratung kommen.
Was ist nun Zuwendung? Sie besteht aus dem guten Wort, dem anerkennende Blick, einer Umarmung wenn es für Ihre Partnerin gerade schwierig läuft im Beruf. Und aus jede Menge körperlicher Zuwendung. Das gilt auch für Sie. Sie beide müssen mehr füreinander da sein.
Keine Kritik
Die wichtigste Regel für die Gespräche zwischen Ihnen lautet zudem für die nächsten Wochen: Keine Kritik. Schwierige Partnerschaften werden in der Regel durch ein Übermaß an Kritik schwierig. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie nun der Meinung sind Ihre Frau sei die Kritikerin in Ihrer Partnerschaft oder ob Ihre Frau es so sieht, dass Sie der Kritiker sind. Sie sollen es beide mit der Strategie keine Kritik versuchen. Sie sehen, ganz ohne den Problem-Topf ein wenig leerer zu machen, geht es in dieser Kolumne denn doch nicht ab.
Alleine durch den Verzicht auf Kritik lassen sich die meisten Partnerschaften regelrecht über Nacht grundlegend verwandeln. Jetzt aber wird es schwierig: Nachdem Sie es eine Weile mit dem Motto keine Kritik versucht haben, ist die Versuchung groß, wieder in den alten Modus zu schalten. Und genau das hilft nicht. Sie müssen dauerhaft auf den kritischen Umgang verzichten. Denn Kritik ist ein Beziehungskiller.
Keine Kritik heißt nicht, dass Sie nicht mehr sagen dürfen, was Ihnen auf der Seele liegt. Sie dürfen es sagen, aber eben nur höflich. Ohne jede Kritik am anderen. Es heißt auch nicht, dass Ihre Partnerin sich nicht mehr wünschen darf, dass Sie im Haushalt einen größeren Teil der Arbeiten übernehmen. Sie darf das ebenfalls, aber eben nur höflich. Und ohne Kritik.
Wenn das alles geklappt hat, dann dürfen Sie sich den Punkten zuwenden, für die Sie als Paar bisher keine Lösung gefunden haben. Aber eben erst dann – wenn die Stimmung zwischen Ihnen beiden wieder besser ist.
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