Mehrfach las ich in der Zeitung Berichte darüber, dass die menschliche Partnerwahl und damit die Liebe vor allem durch den Geruch des Anderen beeinflusst wird. Demnach wählen sich Menschen als Partner, deren Immunsystem genetisch besonders gut zueinander passt. Was halten Sie davon?
Wenn wir Menschen uns kaum je waschen würden, nicht duschen oder in die Badewanne gehen würden und auch kein Parfüm benutzen oder ein Aftershave, dann wären wir in der Tat in der Lage – unbewusst – einen genetisch gut zu uns passenden Geruch des Gegenüber wahrzunehmen. So weit, so gut.
Schon an meinen Einschränkungen – nicht waschen, kein Parfüm, kein Aftershave – merken Sie, was ich von der Bedeutung dieser ‚Erkenntnisse’ für die Partnersuche heute halte: Nichts. Diese Bedingungen sind in unserer Gesellschaft nicht gegeben. Und deshalb können Forscher diesen Effekt auch nicht in der Realität nachweisen. Sie finden ihn nur im Labor – mit den Achselhaaren von Untersuchungspersonen die sich drei Tage lang nicht gewaschen oder deodoriert haben.
Menschen sind ausgesprochen optische Wesen
Es gibt noch einen weiteren Grund, warum es mit der Entscheidung der Nase über die Partnerwahl nichts wird. Die menschlichen Sinne unterliegen einer Hierarchie. Was das Auge wahrnimmt zählt mehr als das, was wir hören oder riechen.
Wir Menschen sind ausgesprochen optische Wesen. Und schon deshalb ist die Annahme, wir erwählten uns den Richtigen oder die Richtige nach dem Geruch ausgesprochen fragwürdig. Geruchsforscher haben deshalb große Probleme, die von ihnen im Labor entdeckten Wahlmuster auch in der Realität zu finden.
Bei der optischen Forschung liegen die Dinge dagegen ganz anders. So konnten Wissenschaftler klar nachweisen, dass die meisten Menschen – wiederum unbewusst – Partner oder Partnerinnen wählen, die in bestimmten Merkmalen der Gesichtszüge mit denen der Eltern übereinstimmten. Das betrifft die Augenfarbe, den Abstand der Augen voneinander, die Breite der Nase und die Breite des ganzen Gesichts.
Kulturelle Prägungen sind wichtiger
Auch diese Erkenntnisse sind allerdings mit Vorsicht zu genießen. Der Mensch ist kein instinktgeleitetes Tier. Wir unterliegen kulturellen Prägungen und Vorlieben. Wir können uns für einen Menschen entscheiden, der genetisch zu uns passt oder uns entfernt an unser gegengeschlechtliches Elternteil erinnert. Wir können ihn aber auch ablehnen, weil uns seine Statur nicht zusagt und weil er nichts Interessantes zu erzählen weiß.
Wir können am Ende sogar einen Partner wählen, der nach den Erkenntnissen der Schönheitsforschung nicht optimal aussieht, zum Beispiel weil uns sein Intellekt besonders imponiert, seine Art zu Lachen anspricht oder sein Humor.
Die reale Welt der Partnerwahl ist also weitaus vielfältiger, als es uns manche biologisch orientierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler glauben machen wollen. Und die Psychologie und das menschliche Gefühlsleben spielt dabei in jedem Fall die Hauptrolle – allen Schönheitsforschern und Geruchsexperten zum Trotz.
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Genetik hin oder her, m.E. spielt der jedem (auch hygienebewußten) Menschen körpereigene Geruch sehr wohl eine Rolle bei der Partnerwahl.
Wenn ich nämlich mein Gegenüber „nicht riechen kann“,nützt die schönste Optik nichts.
Unbedingt anhören! Mein Tipp aus der ARD-Audiothek: „Elefanten haben einen extrem guten Geruchssinn“ | Hanns Hatt erzählt von der faszinierenden Welt der Gerüche
https://audiothek.ardmediathek.de/items/88660696
Das ist so ein toller Beitrag zum hören! Vielen Dank für die Empfehlung.