Ich hatte einen Streit mit meinem Schwiegersohn. Der Streit im Frühjahr endete so, dass ich sein Haus verlassen habe und im Hotel übernachtete. Meine Tochter versuchte, diesen Streit zu schlichten (zumal es an ihrem 40. Geburtstag war). Allerdings merkte ich, dass sie wohl mehr die Ursache bei mir suchte. Mein Schwiegersohn war zu keinem klärenden Gespräch bereit (oder „fähig“ ). Meine Enkel haben den lauten Streit mitangehört.

Ich bin nun einfach nicht in der Lage, wieder auf meinen Schwiegersohn zuzugehen. Für mich hat das Ganze etwas mit Respekt vor dem Alter und mit Anstand zutun. Meine Tochter hat sich eindeutig zu ihrem Mann bekannt. Für mich als Mutter nicht unbedingt nachvollziehbar, zumal ich ihr immer geholfen habe, soweit es meine Zeit erlaubt hat. Wie kann oder sollte ich mich verhalten?

 

Ich habe mal die Geschichte von einer alten Dame gehört, die sich im Alter von etwa 70 Jahren mit ihren Kindern (Zwillingen) überworfen hatte. Komplett überworfen. Es gab keinen Kontakt mehr.  Als sie später dann krank wurde, war niemand  bei ihr und als sie starb, war sie alleine. Sie hat sich sehr gequält mit dem Sterben und im Grunde ihres Herzens doch immer noch auf ihre Kinder gewartet. Aber die kamen nicht. Wie auch: Sie wussten ja gar nicht, dass ihre Mutter im Sterben lag.

Ich fand diese Geschichte wahrhaft herzzerreißend. Lassen Sie es bitte nicht so weit kommen. Sie hatten einen Streit mit Ihrem Schwiegersohn. Dieser Streit ist nun zu einem Zerwürfnis zwischen Ihnen und Ihrer Tochter geworden. Das ist bitter für Sie. Es ist aber ganz sicher auch bitter für Ihre Tochter. Kinder wünschen sich ein gutes Einvernehmen mit ihren Eltern. Alle Kinder tun das. Auch Ihre Tochter. Sie hat allerdings nicht vor, ihre Ehe zu riskieren. Es ist völlig richtig, dass sie zu ihrem Mann hält, denn dort ist jetzt ihr Leben. Nicht mehr bei Ihnen.

Was passiert ist, ist passiert. Sie dürfen es bedauern, mit diesem Streit Ihrer Tochter den Geburtstag zu einem miserablen Tag gemacht zu haben. Sie dürfen auch gerne bedauern, dass die Enkel den Streit mit angehört haben. Das ist in meinen Augen tatsächlich ein schockierender Vorgang. Sie hätten sicherlich auch mit Ihrem Schwiegersohn reden können, ohne die Kinder zu Ohrenzeugen zu machen.

Sie sehen schon: Ich bin dafür, dass Sie zunächst einmal vor der eigenen Haustür kehren. Wenn Sie an dem – jetzt – schwierigen Verhältnis zu Ihrer Tochter etwas ändern wollen, dann werden Sie vermutlich zunächst einmal Ihre eigene Haltung überdenken müssen. Nein, Sie sind nicht die Bestimmerin im Leben Ihrer Tochter. Da hat Ihre Tochter das Sagen. Es ist ihr Leben. Sie darf, sie kann und sie muss entscheiden. Und Sie sollten ihre Entscheidungen respektieren. Respekt – das ist es, was mir bei Ihrem Umgang mit Ihrer Tochter fehlt.

 

Was kann ich tun, damit es zwischen uns wieder besser wird?

 

Wie lässt sich das Zerwürfnis nun wieder kitten? Dazu bedarf es vermutlich nur einer einzigen, ehrlichen Frage an Ihre Tochter: Was kann ich tun, damit es zwischen uns wieder besser wird?

Ich sehe keinen Weg, wie Sie um diese Frage herum kommen. Sie brauchen eine Aussprache, zunächst einmal mit ihr. Eltern haben heute in der Regel nicht allzu viele Kinder. Das macht sie abhängig von deren Wohlwollen. Vielen Eltern fällt das schwer. Sie glauben, ihre Kinder seien ihnen etwas schuldig. Diese Sicht kann ich nicht teilen. Kinder haben sich ihre Eltern nicht ausgesucht. Kinder sind sehr bereit, dankbar zu sein für alles, was ihre Eltern für sie tun. Dazu aber braucht es den grundsätzlichen Respekt der Eltern vor dem, was Kinder für ihr Leben als gut und  richtig entschieden haben. Und dazu gehört in meinen Augen auch die Wahl des Partners.

Suchen Sie bitte das Gespräch. Hören Sie Ihrer Tochter nur zu. Rechtfertigen Sie sich nicht. Versuchen Sie nur zu verstehen, wie Ihre Tochter die Dinge sieht. Sie ist Ihnen wohlgesonnen. Trotzdem werden Sie vermutlich einige kritische Worte zu hören bekommen. Möglicherweise werden Sie aber auch Vorschläge zu hören bekommen, wie Sie mit Ihrem Schwiegersohn wieder ins Gespräch kommen können. Und das sollten Sie dann auch tun.

 

Christian Thiel lebt und arbeitet als Single- und Paarberater in Berlin. Von ihm gibt es unter anderem die Bücher „Streit ist auch keine Lösung“ und „Suche einen für immer und ewig“.

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