Meine Frau und ich sind davon überzeugt, dass eine Beziehung dann gut läuft, wenn man sie als Arbeit auffasst, als Beziehungsarbeit. Freunde von uns sehen das ganz anders. Was meinen Sie dazu?

 

Beziehungsarbeit ist für mich ein wirklich schreckliches Wort. Liebe ist in meinen Augen nicht Arbeit. Das Wort „Arbeit“ verwenden wir, wenn wir die sachliche Auseinandersetzung des Menschen mit der ihn umgebenden Welt beschreiben. Bei Jägern und Sammlern war das Jagen und Sammeln arbeiten, das Herstellen von Waffen und von Steinwerkzeugen natürlich auch. Aber doch nicht die Liebe!

In Agrargesellschaften wird gesät, gepflegt und geerntet. Das ist Arbeit. Aber doch nicht die Liebe!

In der Liebe geht es immer und ausschließlich – um die Gefühle der Beteiligten. Es geht darum, wie zwei Menschen sich miteinander fühlen. Es geht, wenn sie zum Feierabend nach Hause kommen, darum, was sie erlebt und wie sie sich tagsüber in der Welt da draußen gefühlt haben . War es ein guter Tag? Gab es Probleme?

Die Frage ist natürlich auch, wie wir mit den Gefühlen des Anderen umgehen – und ob wir sie überhaupt zur Kenntnis nehmen. Liebe ist im Kern ein tägliches Füreinander-Dasein. Wir müssen uns jeden Tag ernsthaft dafür interessieren, wie es dem anderen geht.

Schatz – ich höre dir zu! Und mich interessiert, was du zu sagen hast.

Wir müssen wissen wollen, welche Gefühle den Partner oder die Partnerin beschäftigen. Dazu brauchen wir Zeit und Aufmerksamkeit. In diesem Sinne ist die Liebe ganz und gar nicht umsonst zu haben. Wir müssen uns für sie anstrengen – und möglicherweise ist das der Grund, warum einige Zeitgenossen auf die Idee gekommen sind, sie mit dem Begriff der Arbeit zu verknüpfen.

 

Ohne Zeit und Aufmerksamkeit geht es nicht

 

Zeit und Aufmerksamkeit sind die beiden wichtigsten Ressourcen im menschlichen Leben. Das finden viele Menschen heute lästig. Sie wollen nichts für den anderen tun und für seine Gefühle interessieren sie sich auch nur bedingt. Für die Arbeit hingegen haben sie viel Zeit und viel Aufmerksamkeit. Manchmal gilt das dann auch noch für die Kinder und den Hund – auch die bekommen Zeit und Aufmerksamkeit. Aber leider nicht der Partner bzw. die Partnerin. Das macht Beziehungen anstrengend. Oder auch sehr anstrengend.

Wer auf seine Liebe keine Zeit verwenden will und keine Energie, der wird Probleme bekommen. Im schlimmsten Fall wird sich jemand anderes für die Gefühle des Partners oder der Partnerin interessieren. Und von da bis zur Untreue ist es dann nur noch ein paar Wochen oder Monate. Schlechte Idee.

Im Fall unterschiedlicher Sichtweisen müssen wir sodann ernsthaft wissen wollen, wie der andere die Dinge sieht und warum. An der Stelle machen Paare heute die meisten Fehler. Sie fangen an zu diskutieren, was richtig und was falsch ist. Dabei geht es doch nur – um die Gefühle der Beteiligten! Der Andere möchte verstanden werden. Nicht belehrt, nicht kritisiert – sondern verstanden.

Wenn eine Beziehung Arbeit wäre, dann würde das mit dem Diskutieren wohl mehr Sinn ergeben. Über berufliche Fragen lässt sich trefflich diskutieren. Aber nicht über Gefühle. Die wollen vor allem eines. Gewürdigt und verstanden werden. Dann läuft ein Beziehung gut – und ist alles andere als Arbeit.

 

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