Sind Männer bei der Partnersuche die Jäger? Und Frauen das Wild? Glauben wir den Stereotypen unserer Kultur, dann ist das so. Doch schauen wir genau hin, dann erkennen wir: Es ist in der Regel die Frau, die den ersten Schritt hin zu einem Flirt geht. Der Mann hingegen macht den zweiten.

 

Neulich am Flughafen: An einer Treppe lässt Jürgen einer Frau, sie heißt Claudia, den Vortritt. Sie lächelt kurz, er auch. Wenig später, Jürgen sitzt an seinem Platz in der Wartehalle, da spürt er einen Blick. Claudias Blick. Dann folgt ein Lächeln. Er schaut freundlich zurück. Kurze Zeit später, ein weiterer Blick –und ein weiteres Lächeln.

Was ist da passiert? Kein Zweifel: Claudia hat Jürgen eingeladen, sie anzusprechen. Das ist ihr gutes Recht. Rund um den Globus, in beinahe allen Kulturen der Welt, werfen Frauen Männern Blicke zu und senden ihnen ein Lächeln – wenn man sie denn lässt! Sie übermitteln damit ein klares Signal der Sympathie. Die Nachricht ist eindeutig und lautet: Vor dir würde ich gern angesprochen werden. Das ist die Realität des Flirts. Meist macht die Frau den ersten Schritt.

 

Männer machen den zweiten Schritt

 

Möglicherweise ist Claudia Single und auf der Suche nach einem neuen Partner. Was liegt da näher, als einem anderen Single Interesse zu signalisieren – wenn man schon einmal auf einen trifft, den man nett findet. Das ist nicht oft der Fall, denn Singles sind, allen Behauptungen der Medien zum Trotz, ausgesprochen selten (-> Wieso es noch nie so wenige Singles gab wie heute). Aber nicht nur bei der Partnersuche werden Frauen initiativ. Auch wenn es darum geht, ein erotisches Abenteuer zu suchen, fordern Frauen Männer dazu auf, sie anzusprechen. Ist Jürgen an einem Kennenlernen interessiert – zum Beispiel, weil er auch Single ist und  nach einer Partnerin sucht oder weil er durch eine erotische Eroberung sein Selbstwertgefühlt verbessern will  – dann kann er jetzt seine Reisetasche nehmen, zu Claudia hinüberschlendern und ganz zwanglos ein Gespräch beginnen. Auch das ist die Realität des Flirtens. Der Mann macht in der Regel den zweiten Schritt. Er agiert nicht, er reagiert.

Geht Jürgen hinüber zu Claudia, dann stellt sich eine Frage, die die allermeisten Männer umtreibt: Wie kann ich sie nur ansprechen? Zum Glück ist die Antwort auf diese Frage ganz einfach. Viele hundert Teilnehmerinnen meiner Workshops zur Partnersuche haben mir wieder und wieder bestätigt: Es ist völlig egal, was er sagt, Hauptsache er ist nett. Um einen besonders ausgefeilten Spruch beim Ansprechen braucht sich Jürgen also keine Gedanken zu machen.

 

 

Auch wenn Claudia Jürgen aufgefordert hat, sie anzusprechen, ist damit doch keinesfalls gesagt, dass sie noch immer von ihm angetan ist, wenn er sie tatsächlich angesprochen hat. Die allermeisten Flirts enden schnell. Oft reichen schon ein paar Sätze und der Flirt ist zu Ende. Seine Stimme muss ihr gefallen und seine Art zu reden auch. Das ist umgekehrt ja nicht anders. Auch er muss ihre Stimme und ihre Art zu sprechen mögen. Und schließlich sollte auch das sympathisch erscheinen, was Jürgen sagt. Völlig einerlei ist es also doch nicht, was er sagt, denn die wichtigste Regel des Flirts lautet: Das Positive zählt. Wir sind nett, höflich und zuvorkommend. Möglicherweise  machen wir auch Komplimente, die dem anderen schmeicheln.

Wir stellen bei einem Flirt überdies auch unsere eigenen Vorzüge heraus. Das ist sehr wichtig.  Denn wir verlieben uns in die Vorzüge des anderen, sein herzliches Lachen, seinen klugen Witz, seine ehrliche Anteilnahme, seine Tatkraft, seine Intelligenz. Das, was der andere zu bieten hat, zieht uns an. Seine Schattenseiten dagegen nehmen wir hin – wenn wir sie zu Beginn denn überhaupt wahrnehmen.

 

Dreimal ist Bremer Recht

 

Ein dritter Blick von Claudia. Ein drittes Lächeln. Claudia ist hartnäckig, keine Frage. Drei Blicke, drei Lächeln. Mehr sollte sie allerdings nicht tun, um Jürgen anzulocken. Nein, sie sollte nicht zu ihm hinübergehen und ihn ansprechen. Natürlich darf sie das, keine Frage.  Wir leben in einer emanzipierten Zeit. Es kommt allerdings erfahrungsgemäß nichts Gutes dabei heraus. Wozu soll eine Frau nach drei Blicken und dreifachem Anlächeln einen Mann auch noch ansprechen? Sie hätte dann viermal hintereinander etwas zur Anbahnung eines Kennenlernens getan – und er nichts. Diese Einseitigkeit des Interesses spricht für sich.

Ist Jürgen an einer Fortsetzung des Flirts ernsthaft interessiert, dann spricht er Claudia an. Ist er nicht interessiert, dann tut er es nicht – und sie kann sich das Ansprechen sparen. Steht Claudia allerdings im Supermarkt hinter ihm oder lernt ihn auf einer Website zur Partnersuche im Internet kennen, dann ist das Ansprechen sinnvoll. Sie kann ihn in diesen Situationen ja schlecht interessiert anschauen und anlächeln.

Claudia weiß das alles sehr genau. Man kann Männern das  „Jagen“ durch deutliche Signale erleichtern. „Zum Jagen tragen“ aber kann und soll man sie nicht. Dreimal ist Bremer Recht, sagt man in Claudias Heimatstadt. Drei Blicke also müssen reichen. Kommt Jürgen jetzt zu ihr herüber, dann wird es sie freuen. Kommt er aber nicht, dann ist das auch kein Weltuntergang. Der nächste Flirt kommt bestimmt. Claudia flirtet  gern mit Männern, die ihr gänzlich fremd sind. Ihren letzten Partner hat sie auf ähnliche Art und Weise kennengelernt. Im Zug von Bremen nach Berlin.

Jürgen hat den dritten Kontaktversuch von Claudia registriert. Er lächelt  kurz zurück, sehr kurz sogar – und vertieft sich wieder interessiert in seine Zeitung. Der Flirt ist damit zu Ende. Seine Dauer? Vielleicht zwei Minuten.

Halten wir fest: Über all auf der Welt machen Frauen sowohl bei der Partnerwahl als auch bei erotisch motivierten Affären in der Regel den ersten Schritt. Und das ist nicht nur auf Flughäfen so, in der Bahn, in Cafés und in Diskotheken. Auch beim Kennenlernen im Freundeskreis und bei der Arbeit ist das ein häufiger Fall. So wie bei Klaus.

 

 

In realen Liebesgeschichten verhalten sich Männer oft sehr passiv

 

Klaus (38) ist schon seit Jahren unglücklich in seiner Beziehung. Leider unternimmt er nichts, um das zu ändern. Wie sich seine Beziehung verbessern lässt, das weiß er nicht. Zu einer Trennung kann er sich aber auch nicht entschließen. Am Ende erlöst ihn seine Arbeitskollegin Martina aus seiner schlecht laufenden Partnerschaft. Martina bleibt immer dann länger in der Arbeit, wenn Klaus gerade Überstunden macht. Sie kocht einen Tee, bringt auch ihm eine Tasse und schaut ihm lange und tief in die Augen. Auch aus der Ferne wandert ihr Blick oft zu ihm. Nach zwei Monaten sind die beiden ein Paar.

So wie gerade geschildert verlaufen reale Liebesgeschichten oft. Und Männer verhalten sich in realen Liebesgeschichten häufig ausgesprochen passiv. Sie wählen nicht, sie werden gewählt. Ich habe in 25 Jahren von mittlerweile über 2.000 Liebesgeschichten erfahren. Viele von ihnen verlaufen nach dem beschriebenen Muster. Frauen werben mit nonverbalen Mitteln um Männer. Männer werden gewählt. So wie Klaus.

Klaus hat sich erkennbar nie für seine Partnerin entschieden. Schon gar nicht hat er um sie geworben. Hier ist auch kein Blitz eingeschlagen und kein Pfeil des Amor hat zwei Herzen füreinander entflammt. Stattdessen finden wir ein ganz anderes Muster: Martina hat Klaus ein Beziehungsangebot gemacht. Ihr zugewandtes und werbendes Verhalten war allzu deutlich. Klaus ist auf ihr Angebot eingegangen. Es tat ihm gut, gewollt zu werden. Sie sah gut aus. Und sie war nett zu ihm. Das reichte ihm.

Passt Martina zu Klaus? Er hat sich das nie gefragt. Schade eigentlich. Möglicherweise wären seine Partnerschaften deutlich glücklicher und haltbarer, wenn er eine klare Antwort wüsste auf die Grundfrage der Partnersuche: „Wer passt zu mir?“ Klaus ist ein ausgesprochen gutmütiger Mann. Lässt er sich von einer Frau wählen, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie keinesfalls so gutmütig ist wie er, sondern eher darauf aus, in der Partnerschaft zu bestimmen. Kurz gesagt: Sie ist eine Kratzbürste.

Eine Kratzbürste ist schnell begeistert, wenn sie auf einen gutmütigen Mann trifft. Dreimal schon ist Klaus von diesem Typ Frau als Partner gewählt worden – dreimal ging das nicht lange gut. Nach eineinhalb Jahren bereits war die Stimmung in der Partnerschaft schlecht. Als Gutmütiger hat er es dann aber immer noch einige Jahre ausgehalten.

Natürlich ist auch Klaus Verhalten eine Art der Wahl, eine passive Wahl. Und am Ende hat selbstverständlich er die Initiative ergriffen – so erwartet es schließlich die Konvention. Klaus hat Martina gefragt, ob sie am Wochenende gemeinsam ins Kino gehen. Und er hat sie geküsst, als die beiden nach dem Kino Händchen haltend durch den sommerwarmen Park schlenderten, bei einem Teich stehen blieben und den jungen Enten bei ihren ersten Ausflügen zuschauten. In seiner Erinnerung wird genau dies haften bleiben, dass er sie nach einer Verabredung fragte, dass er sie küsste. So kurios es auch klingt: In Klaus Erinnerung hat er die entscheidenden Schritte zur Anbahnung der Beziehung getan.

In der Realität entsteht Liebe oft sehr langsam – so wie bei Klaus und Martina. Die Liebe kommt auf leisen Pfoten, schleicht sich an wie eine Katze. Klaus hat diese heranschleichende Versuchung einer neuen Liebe erst spät registriert. Erst nach vier oder fünf Wochen spürte er das Ungewöhnliche der Situation. Er registrierte, wie sehr Martina um ihn und seine Zuneigung warb. Er erkannte, dass er die Chance hatte, seine alte, unlebendig gewordene Beziehung ganz einfach durch eine neue Partnerschaft zu ersetzen. Ganz ohne Trennungsschmerz und Liebeskummer. Ohne anschließendes Singlesein und langwierige Partnersuche. Das war für ihn sehr verlockend und so machte er mit…

 

 

Die Bilder in unserem Kopf führen uns in die Irre

 

So viel zur Realität der Liebe und ihrer Entstehung. Daneben aber gibt es, beinahe wie in einer Parallelwelt, auch noch unsere Vorstellungen von der Partnersuche, die Bilder in unserem Kopf, die Mythen der Partnersuche. Diese Mythen wollen zur Realität so ganz und gar nicht passen. Das Bild, das wir uns von der Partnersuche machen, kennt keine Frauen, die die Initiative ergreifen und auch keine Männer, die lediglich auf unverhohlene Sympathieangebote reagieren. Unser Bild von der Partnersuche kennt vor allem den vor Aktivität sprühenden Mann. Die Frau wirbt nicht, sie wird umworben. In Karikaturen erlegt der steinzeitlich gekleidete Mann seine Zukünftige mit der Keule und schleift sie anschließend in seine Höhle. Der Mann ist der Jäger und die Frau das Wild.

In der Regel entscheidet die Frau – wer dieses Muster kennt, der kann einige Phänomene rund um die Partnersuche besser einordnen:

  • Zum Beispiel, warum manche Frauen nie von Männern angesprochen werden, einerlei wie häufig sie ausgehen oder zu Einladungen erscheinen. Sie senden nie die ersten Signale der Sympathie – und die anwesenden Single-Männer kümmern sich deshalb um andere Frauen. Um die Frauen nämlich, die ihnen die „Freigabe zum Ansprechen“ signalisiert haben.
  • Zum Beispiel, warum es sich für eine Frau nicht lohnt, einen Mann anzusprechen. Im schlimmsten Fall manövriert sie ihn auf diese Weise in einen halbherzigen Beziehungsversuch. Nach einem dreiviertel Jahr voller Bemühungen ihrerseits und großem Desinteresse seinerseits, sagt er dann: Ich wusste doch nicht, dass du das mit uns so ernst meinst.
  • Zum Beispiel, warum es für einen Mann beinahe aussichtslos ist, eine Frau in einem Café anzusprechen, ohne von ihr zuvor nonverbal dazu aufgefordert worden zu sein. Wäre sie daran interessiert, von ihm angesprochen zu werden, dann hätte sie es ihm signalisiert. Sie sehen, auch männlicher Übereifer zahlt sich nicht aus.
  • Zum Beispiel warum gerade Männer so leicht an völlig unpassende Frauen geraten.

 

Das Aussehen zählt – und ist doch weniger entscheidend als viele Singles glauben

 

So weit die Erkenntnisse der Wissenschaft zur Dynamik der Partnerwahl und zur Frage, wer dabei den ersten Schritt macht – und wer den zweiten. Einige grundsätzliche Aspekte der Partnersuche sind damit geklärt. Eine Frage ist allerdings noch offen: Warum nur ist Jürgen auf Claudias Angebot sie anzusprechen nicht eingegangen? Nach ihrem dritten Blick hat er sich in seine Zeitung vertieft und damit sein mangelndes Interesse an ihr deutlich gemacht. Wieso? Jürgen ist tatsächlich Single und wie Claudia ist er auf der Suche nach einer Beziehung. Der Grund für sein Desinteresse an ihr liegt also nicht daran, dass er vergeben ist. Jürgen hat zwei wichtige Gründe für sein Verhalten. Der erste lautet: Claudias Aussehen.

Nicht dass Sie denken, Claudia sehe schlecht aus. Das ist es nicht. Beide, Jürgen wie Claudia, sehen durchschnittlich gut aus und genau das macht ihre Partnersuche leicht. Leichter jedenfalls, als für überdurchschnittlich gut aussehende Menschen. Der Grund für Jürgens Desinteresse ist viel banaler und gleichzeitig ist es der häufigste Grund, weshalb Männer Frauen „einen Korb geben“. Es sind – ihre Haarfarbe und ihre Statur.

Claudia passt schlicht nicht in Jürgens „Beuteschema“. Seine letzte Partnerin war groß und dunkelhaarig so wie alle Freundinnen zuvor auch. Jürgen hat also ein festes Suchmuster. Das sieht vor, dass seine Partnerin groß und dunkelhaarig ist – wie seine Mutter. Claudia aber ist klein, blond und zierlich. Deshalb hat sie bei ihm keine Chance. So einfach ist es schon. Männer wie Frauen haben in der Regel solche Suchmuster. Und über die setzen sie sich nur selten hinweg.

Jürgen hat darüber hinaus noch einen weiteren Grund für sein mangelndes Interesse an Claudia. Er hat heute Abend eine vielversprechende Verabredung – mit Silke. In Gedanken ist er schon bei diesem Treffen und bei der Frage, ob er ihr eine rote Rose mitbringen soll. Es ist das dritte Mal, dass die beiden verabredet sind. Er wird also spannend werden.

Silke ist groß und hat kurze, dunkle Haare – sie ist genau Jürgens Typ. Und er wird bei dem Treffen darauf achten, ob sie auch wirklich zu ihm passt.

 

 

Foto: Paul-Friedrich Thiel

Christian Thiel arbeitet als Single- und Paarberater in Berlin.

(singleberater.dedie-liebe-bleibt.de)

 

Workshop

6. Juni – Berlin

Workshop: „Suche einen für immer und ewig. Wie Sie den Partner finden, der wirklich zu Ihnen passt und auch mit ihm zusammenbleiben.“

10 -17 Uhr

Pestalozzistraße 14

13187 Berlin (Pankow)

Kosten: 180 €; (für Frühbucher bis zum 6. Mai: 150 €)

Die Anmeldung erfolgt per Mail an: post@singleberater.de.

 

Online-Workshop

 

Von mir gibt es auch den Online-Workshop „Wer passt zu mir?“. Der letzte ist gerade gestartet. Wer mag, kann noch nachträglich mit einsteigen:

Online-Workshop: „Wer passt zu mir? Wie Sie den Partner finden, der wirklich zu Ihnen passt.“

Vom 23. April bis zum 25. Juni

Kosten: 75 €

Anmeldung: post@singleberater.de

Mehr Informationen zu diesem Workshop finden Sie hier.