Die Liebesblogger

Hilfe – ich traue mich nicht, eine Frau anzusprechen

Eine Single-Geschichte von CHRISTIAN THIEL

 

Ich schäme mich, es zu gestehen: Am Ende verließ mich der Mut. Sie hätten sie sehen sollen. Die langen, blonden Locken fielen ihr sanft bis über die Schultern und wenn sie lächelte, zeigten sich zwei reizende Grübchen rechts und links von ihrem Mund.

Es war die Gelegenheit. Ich saß in einem Straßencafé, die Mai-Sonne schien kräftig, der Cappuccino war gut, die Zeitung ausgelesen. Drei Tische weiter saß meine Traumfrau alleine an einem Tisch und schaute auf ihren Laptop. Ich war mir sicher, ich würde sie ansprechen.

Kaum hatte ich den Vorsatz gefasst, fühlte sich mein Mund mit einem Mal entsetzlich trocken an. Meine Zunge war regelrecht pelzig und lag wie ein ausgewrungener Waschlappen in meinem Mund. Ich bestellte ein Glas Mineralwasser und trank hastig ein paar Schlucke, wie ein Verdurstender, der tagelang durch die Wüste geirrt ist. Meine Traumfrau machte zum Glück keinerlei Anstalten zu gehen. Sie hatte unterdessen ihren Laptop hervorgeholt und schaute wie gebannt auf den Bildschirm. Ich trank noch einen letzten Schluck, dann wollte ich aufstehen und zu ihr hinübergehen.

Da tauchte das nächste Problem auf. Mein Kopf fühlte sich plötzlich ganz dumpf an. Er war so leer wie ein ausgedrückter Badeschwamm. Mir fiel nichts ein, was ich zu ihr hätte sagen können. Ich versuchte, mich auf einen witzigen Satz zu konzentrieren, den ich zu ihr sagen wollte, doch es gelang mir nicht. Nach qualvollen Minuten des Zauderns und der Selbstzweifel gab ich schließlich auf. Ich bezahlte den Cappuccino und das Mineralwasser und verließ niedergeschlagen das Café.

 

Hilfe – ich werde ewig Single bleiben!

 

„Wie soll ich denn jemals eine Partnerin finden, wenn ich zu feige bin, eine Frau anzusprechen?“, fragte ich Monika, meine beste Freundin und Ratgeberin. Monika schaute mich mitfühlend an. Ich war völlig zerknirscht. Die Nacht hatte ich kaum ein Auge zugetan. Wenn ich doch einmal kurz einnickte, träumte ich von einem unglaublich riesigen Palast, dessen fensterlose Gänge mir wie ein Labyrinth ohne jeden Ausgang vorkamen. Fand ich endlich doch einmal eine Tür, ließ sie sich nicht öffnen, so sehr ich auch an der Klinke rüttelte. „Ich werde ewig Single bleiben, wenn ich mich nicht einmal traue, in einem Café eine Frau anzusprechen. Ein Mann muss nun einmal den ersten Schritt machen“, setzte ich noch hinzu. Kaum hatte ich das gesagt, da zog Monika die Stirn bedenklich kraus. Ich ahnte, dass sie mir jetzt wieder eine ihrer Theorien erläutern würde.

„Ich kenne da zufällig eine Untersuchung, aus der hervorgeht, dass die Frauen den ersten Schritt machen“, sagte sie prompt.

„Ach“, gab ich zurück und legte den Kopf schief. Ich muss sie sehr einfältig angeschaut haben. Ich mochte kaum glauben, dass ausgerechnet eine Frau mir etwas über den ersten Schritt erklären könnte. Ich hatte alle meine bisherigen Freundinnen auf Partys kennengelernt und ich hatte stets sie angesprochen. Ich war immer stolz darauf gewesen, dass ich den ersten Schritt getan hatte.

„Du kannst mir ruhig glauben! Ich weiß, ihr Männer bildet euch eine Menge darauf ein, dass ihr uns Frauen ansprecht. Flirten beginnt aber ganz anders. Das Wichtigste beim Flirten ist der Augenkontakt und das Lächeln. Und diese beiden Signale gehen sehr häufig von Frauen aus.“

 

 

Während Monika sprach, schaute sie mir zunächst in die Augen und lächelte mich dann an – ganz so, als wolle sie die Wirkung von Blicken und Lächeln demonstrieren. Sie sah wirklich wunderbar aus, wenn sie so voller Eifer sprach. Ihre Wangen glühten und ihre blauen Augen sprühten Funken. Schade eigentlich, dass sie vergeben war.

Monika fuhr fort: „Die Frau sendet das erste Signal, sie wirft ihm einen interessierten Blick zu oder lächelt ihn an. Und der Mann reagiert dann darauf und spricht sie an.“ Sie machte eine kleine Pause. Dann lächelte sie siegesgewiss und setzte hinzu: „Aber natürlich ist ertrotzdem fest davon überzeugt, dass er den ersten Schritt getan hat.“

Monikas Ausführungen gefielen mir ganz und gar nicht. Das würde ja bedeuten, dass nicht ich mir Karin, meine Verflossene, ausgesucht hatte, sondern sie mich! Sie hatte michangelächelt, hatte mich mit Blicken verfolgt und ich habe dann – ahnungslos wie ich war – gedacht, ich mache den ersten Schritt. In Wahrheit aber war ich die Fliege gewesen, in ihrem Netz. Eine schaudervolle Vorstellung. Ich verzog das Gesicht.

 

Warum hatte ich mich nur so angestrengt?

 

„Ach, nun schau doch nicht so beleidigt drein“, sagte Monika. „Sieh mal, wenn du gestern deine Traumfrau nicht angesprochen hast, dann hat das einen einfachen Grund: Sie hat dich nicht dazu ermutigt. Und das bedeutet vermutlich, dass die Gute schon vergeben ist. Oder sie ist zur Zeit nicht für eine Partnerschaft zu haben, zum Beispiel weil sie gerade erst eine schwierige Trennung hinter sich gebracht hat und deshalb gerade … Oder derzeit geht ihre Karriere vor. Oder du bist nicht ihr Typ –  kann ja auch sein.“

Ich schaute Monika immer noch zweifelnd an. Aber vielleicht hatte sie ja recht. Meine Traumfrau war so vertieft gewesen in ihre Arbeit und hatte kein einziges Mal zu mir herübergesehen. Warum hatte ich mich nur so angestrengt, gerade diese Frau ansprechen zu wollen?

 

 

„Siehst du“, sagte Monika, „wenn du weißt, wie ein Flirt verläuft, dann brauchst du dir in Zukunft bei Frauen, die sich hinter Akten vergraben oder hinter ihren Laptops, keine Mühe zu geben. Ist doch praktisch, oder?“

Das musste ich zugeben. Trotzdem, ich mochte immer noch kaum glauben, was Monika da erzählte. „Der Mann ist der Jäger und die Frau das Wild – so steht es doch in vielen Ratgebern zur Partnersuche. Und nun kommst du daher und stellst alles auf den Kopf“, sagte ich.

„Dieses Klischee schmeichelt dem männlichen Ego, aber mit der Realität hat es nichts zu tun“, entgegnete Monika. Ihre Stimme klang ganz so, als wenn sie ein nörgeliges Kind zurechtwies. Ihre Augen schauten ein wenig streng und hatten wieder jenen seltsamen Glanz, den sie oft haben, wenn sie gleich mit einer ihrer Theorien herausrückt. „Und so war es im Übrigen auch schon in der Steinzeit. Auch bei den Jägern und Sammlern suchten sich die Frauen den Mann aus, von dem sie angesprochen werden wollten. Und so ist es bis heute geblieben. Außerdem verteilen Frauen ja im Verlauf des Kennenlernens auch noch mehr Körbe als Männer. Das alles lässt nur einen logischen Schluss zu.

Monika schaute mich erwartungsvoll an und langsam dämmerte mir, worauf sie hinaus wollte. „Das bedeutet, dass in der Liebe die Frau die Jägerin ist und der Mann ist das Wild“, sagte ich, noch immer perplex von ihren gewagten Gedankengängen.

„Genau“, sagte sie genussvoll. „Aber erzähl es bitte nicht weiter. Das glaubt dir ohnehin kein Mensch.“

 

Im ersten Teil der Single-Geschichten ging es darum, wie es ist, einen Korb zu bekommen: „Die Partnersuche wäre ja so eine schöne Zeit, wenn es da nicht die Körbe gäbe, die wir uns einhandeln können“.

 

Foto: Paul-Friedrich Thiel

Christian Thiel arbeitet als Single- und Paarberater in Berlin.

(singleberater.dedie-liebe-bleibt.de)

 

Workshop

6. Juni – Berlin

Workshop: „Suche einen für immer und ewig. Wie Sie den Partner finden, der wirklich zu Ihnen passt und auch mit ihm zusammenbleiben.“

10 -17 Uhr

Pestalozzistraße 14

13187 Berlin (Pankow)

Kosten: 180 €; (für Frühbucher bis zum 6. Mai: 150 €)

Die Anmeldung erfolgt per Mail an: post@singleberater.de.

 

Online-Workshop

 

Von mir gibt es auch den Online-Workshop „Wer passt zu mir?“. Der letzte ist gerade gestartet. Wer mag, kann noch nachträglich mit einsteigen:

Online-Workshop: „Wer passt zu mir? Wie Sie den Partner finden, der wirklich zu Ihnen passt.“

Vom 23. April bis zum 25. Juni

Kosten: 75 €

Anmeldung: post@singleberater.de

Mehr Informationen zu diesem Workshop finden Sie hier.

 

2 Kommentare

  1. Elmira

    Lieber Christian Thiel,
    kennenlernen in zeiten von Corona finde ich unproblematisch – das geht gut beim spazierengehen. Aber wie kann mensch sich näherkommen? Wenn schon ein kuss tödlich sein kann? (Ich bin ein kissoholic!)
    Mit neugierigen grüßen
    Elmira

    • Christian Thiel

      Liebe Elmira,
      Sie haben mich jetzt sehr erstaunt. Nur mal angenommen, Sie hätten einen Partner. Würde Sie dann aufhören, ihn zu küssen? Würde Sie in ein anderes Zimmer umziehen und anfangen ihn nur noch aus einem Meter Entfernung zu begegnen?
      Das ist für die meisten Menschen sicherlich eine absonderliche Vorstellung. Nun ist aber die Ansteckungsgefahr bei einem Partner den sie seit 20 Jahren haben genauso groß wie bei einem, den Sie seit zwei Wochen kennen. Wo ist der Unterschied beim Küssen?
      Das Wort vom tödlichen Kuss hat mich auch erstaunt. Corona verläuft für die allermeisten Menschen sehr, sehr milde. die Todesfälle betreffen vor allem über 70-Jährige mit schweren Vorerkrankungen.
      Schöne Grüße aus Berlin
      Christian Thiel

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