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Wie finde ich einen Weg zurück zu einer gesunden, von Pornos befreiten Sexualität?

Wie viele andere Männer bin bzw. war ich (29) lange Zeit intensiver Pornokonsument und habe bereits mehrere Anläufe unternommen, um davon loszukommen. Es geht mir jetzt nicht um die Frage, wie ich von Pornos wegkomme, weil ich diesen Schritt mittlerweile endlich geschafft habe. Auf dem Weg dorthin habe ich mehrere erfolglose Versuche unternommen (ich glaube es waren um die 7-8 Anläufe).

Jetzt geht es mir um die Frage, wie ich in meinem von Pornos stark konditionierten Gehirn einen „Reset“ schaffe, um meine durch teils harte pornographische Inhalte vollkommen verzerrte Vorstellung von Sex wieder zu korrigieren – zurück zu einem natürlichen Bild von Sexualität.

Mir ist zwar bewusst, dass es sich bei Pornodarstellerinnen und Pornodarstellern um körperlich oftmals sehr fitte Menschen handelt, für die das Gezeigte lediglich „Schauspielerei“ ist und nur selten dem realen Bild von Sex entspricht. Und natürlich kann ich nicht erwarten, dass man im Bett solche fast schon athletischen Leistungen erbringen kann oder soll. Allerdings haben sich diese Bilder über viele Jahre in meinem Gehirn eingebrannt, sodass ich sie nicht einfach auf Knopfdruck vergessen kann.

Und genau das sorgt bei den meisten meiner Sexualkontakte mit Frauen dafür, dass ich zwar eine Erektion bekomme, allerdings fast nie zum Abschluss komme – egal ob sie mir einen Handjob oder Blowjob gibt oder wir Sex haben. Oft gehe ich danach unter dem Vorwand aufs Klo, z. B. kurz pinkeln oder mich waschen zu wollen, nur um es mir dort dann selbst noch zu machen. Das macht mich sehr traurig, denn es zerstört irgendwie die schönste Nebensache der Welt.

Der Grund ist der, dass das, was ich jahrelang in Pornos gesehen habe, nicht dem entspricht, was ich letztlich im Bett erlebe. Mein Gehirn wurde so sehr auf die teilweise extremen Szenen aus Pornos konditioniert, dass ich nur noch mit vergleichbar starken Reizstimulationen zum Abschluss kommen kann, die ich allerdings beim Geschlechtsverkehr aufgrund der Unterschiede zwischen meiner von Pornos geprägten Vorstellung von Sex und der Realität nicht erreichen kann.

Auf der anderen Seite habe ich aber auch automatisch die Erwartungshaltung an mich selbst, dass ich der Frau eine vergleichbare „Performance“ wie in Pornos bieten muss, damit es ihr gefällt und sie mich nicht für einen schlechten Liebhaber hält. Ich weiß zwar, dass das höchstwahrscheinlich nicht stimmt. Allerdings ist es auch schwer, diese Erwartungshaltung abzulegen.

Wie finde ich einen Weg zurück zu einer gesunden, von Pornos befreiten Sexualität? Wie „korrigiere“ ich mein Bild von Sex, das nicht von Pornopraktiken dominiert wird, sondern einem natürlichen Bild entspricht und sowohl mir als auch meiner Sexualpartnerin gefällt?

 

Es ist auffällig, wie häufig es Zuschriften zu diesem Thema gibt. So offen wie Sie hat aber bisher kaum jemand seinen Pornograhie-Konsum als eine Form der Abhängigkeit beschrieben. Und auch die Folgen für Ihre Sexualität haben Sie sehr eindrücklich geschildert. Herzlichen Dank zunächst einmal dafür. Sie machen damit anderen Männern Mut, sich diesem Thema zu stellen. Und die ein oder andere Frau wird nach dem Lesen Ihrer Zuschrift vielleicht besser verstehen, was mit dem Mann los ist, den sie neulich bei Tinder kennengelernt hat.

Kurz zusammengefasst ist es wohl so: Aufgrund Ihres hohen Pornokonsums und vermutlich auch aufgrund der Tatsache, dass Sie sehr wenig Erfahrung mit realer Sexualität hatten, hat sich Ihr sexuelles Erleben und Ihre Vorstellungen von dem, was da passieren könnte oder gar sollten, in eine Richtung geprägt, die ihnen die Freude am Sex nimmt. Das nennt sich Performancedruck – und dieser Druck lastet derzeit noch schwer auf Ihnen.

Lassen Sie mich sodann etwas zu den Pornos sagen, die Sie gesehen haben. Ich habe neulich mal den Vergleich gehört, was wohl passieren würde, wenn jemand jahrelang Actionfilme mit Autoverfolgungsjagden anschauen würde – nur um sich dann anschließend enttäuscht in ein Auto zu setzen. Das Autofahren ist doch tatsächlich anders als in den Filmen!

 

Die Selbstbefriedigung wird oft sehr hart praktiziert und unser Gehirn gewöhnt sich daran

 

Pornos sind ein Unterhaltungsformat. Sie sollen aus Ihnen nichts lernen, weil es da nichts zu lernen gibt. Zum Lernen sind kluge Bücher wie zum Beispiel „Make Love“ von der Kollegin Ann-Marlene Henning geeignet oder „Joy of Sex“ von Alex Comfort.

Das Spannende ist, dass kaum jemand einen Actionfilm mit Autoverfolgungsjagden für eine realistische Darstellung von Autofahren hält. Das ist beim Pornokonsum leider anders. Wer über viele Jahre keinen oder kaum realen Sex hat, der hat einfach kein Korrektiv. Er wird mehr und mehr dazu verleitet, dem zu glauben, was er sieht.

Hinzu kommt noch ein Moment, dass allem Anschein nach auch Sie beeinträchtigt. Die Pornographie ist nämlich nur die eine Seite des Problems. Die andere ist die Selbstbefriedigung selber. Sie wird oft sehr hart praktiziert und unser Gehirn gewöhnt sich daran. Dieses Phänomen findet sich bei Männern wie bei Frauen. Frauen können sich an die Stimulation mit einer Elektrozahnbürste gewöhnen – und fühlen dann bei realem Sex mit einem Mann verständlicherweise eher wenig. Für Männer hingegen gilt der Satz von Ann-Marlene Henning: „Kein Vagina ist so hart, wie die linke Faust eines Mannes.“

 

Wissen Ihre Sexpartnerinnen denn, dass Sie süchtig Porno konsumiert haben?

 

Aus diesem Grund braucht es außer dem Verzicht auf die Pornographie oft auch eine längere Zeit der Umgewöhnung. Unser Gehirn braucht etwa drei Monate, um sich auf die sanfteren Reize realer Sexualität einzustellen. Hinzu kommt ja auch, dass Pornos sehr optisch sind – echter Sex aber nicht. Sie haben also eine Menge an Umstellungen zu bewältigen. Das kann etwas dauern.

Männer müssen lernen, sehr sanfte Berührungen an ihrem Penis zu spüren und zu genießen. Das können Sie gerne auch mit Sexualpartnerinnen üben. Womit wir beim Thema „reden“ wären. Wissen Ihre Sexpartnerinnen denn, dass Sie süchtig Porno konsumiert haben? Ich vermute fast, dass Ihnen das schlicht zu peinlich ist.

Zudem versuchen Sie diese ganze Umstellung vermutlich ganz ohne jede therapeutische Begleitung. Das fällt schon bei dem Pornokonum auf, den Sie augenscheinlich ganz alleine reduzieren wollten. Warum nicht mit Hilfe eines auf Pornosucht spezialisierten Therapeuten? Das wäre einfacher und hätte zudem den Vorteil, dass er Ihnen auch bei den weiteren Schritten helfen könnte. Was Sie derzeit umtreibt, gehört in die Hände eines erfahrenen Sexualtherapeuten oder einer erfahrenen Sexualtherapeutin. Die haben mittlerweile regelmäßig Anfragen wie die Ihre. Leider.

 

Wer sich gerne noch für den Schnellkurs „Liebe, Sex und Partnerschaft“ mit den kurzen Videos von Peter Michalik anmelden möchte, der kann das gerne tun. Sie bekommen vier Wochen lange jeden Tag eine Mail. Die Videos sind wirklich sehr kurz, also im TikTok-Format:

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3 Kommentare

  1. Adam Kupinski

    Großartig!! Vielen Dank für diesen Beitrag! Ich als 26 Jahre alter junger Mann, der regelmäßig Sex hat und genau unter dem selben Problem leidet also wirklich zu 100 % dem selben Problem, habe auch lange Zeit sehr damit gestruggelt, Bin aber selbst dann durch Fachliteratur und zahlreiche Recherche zu der Erkenntnis gekommen, dass Pornographie sehr schlecht ist für das männliche Gehirn und sich sehr negativ auf männliche Sexualität auswirken kann.

    Haben Sie vielleicht eine Liste erfahrener Therapeuten in genau dem Fachbereich? Sei es lokal vor Ort in München oder online? Oder weitere Fachliteratur/Podcasts zu genau diesem Thema, also den negativen Auswirkungen und körperlichen Folgen für Männer, die lange Zeit Pornographie konsumiert/Pornosüchtig waren/sind?

    Ich weiß, dass dies sehr, sehr hilfreich wäre, vor allem, weil ich auch weiß, dass so gut wie jeder Mann in meinem Freundeskreis darunter leidet.

    Weiterhin möchte ich kurz die Gelegenheit nutzen, um mich für Ihren tollen Podcast zu bedanken. Ich habe ihn mittlerweile zur Gänze rauf und runter gehört und nutze das Wissen für gesündere Liebesbeziehungen in meinem Alltag und empfehle ich regelmäßig weiter. Wirklich tolle Arbeit die Sie da gemeinsam mit Ihrer Podcast Partnerin leisten, vielen Dank!

    Ganz liebe Grüße aus München, Adam Kupinski

    • Christian Thiel

      Vielen Dank, Adam! Wir freuen uns immer über die vielen positiven Zuschriften.
      In München arbeitet die Kollegin Andrea Bräu.
      Sie ist, anders als ich, auch in Sexualtherapie ausgebildet:
      https://www.beziehungspraxis.de/
      Ich bin nicht für Fachliteratur. Ich bin für Beratung. Das hilft besser.

  2. Ralf

    Wer ein erfüllendes Sexualleben und Liebe (!) auch auf der geistig-emotionalen Ebene, hat, braucht keine Pornos. Hoher Pornokonsum heißt doch nichts anderes, als dass die Beziehung ungelöste Probleme aufweist und die Kommunikation nicht offen, zugewandt und problemlösungsorientiert ist. Vielleicht fehlt ja auch Nähe, Vertrauen.

    Es ist eine Art Realitätsflucht, die daher m.E. auch nur gemeinsam in (!) der Partnerschaft gelöst werden kann, ggf. mit Unterstützung.

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