Sie werfen Ihrem Partner im Streit Dinge an den Kopf, die Sie mit etwas Abstand bereuen? Wer jetzt sagt, „So bin ich halt“, der macht es sich zu leicht. Seiner Wut freien Lauf lassen, das ist schlichtweg rücksichtslos. Man vergisst in solch einem Moment die Würde – seine und die des Partners.
In Paarberatungen bin ich ehrlich gesagt manchmal ein bisschen sprachlos, wenn jemand wieder und wieder erzählt, wie die Wut ihn gepackt und er sie komplett rausgelassen hat. Ohne etwas dagegenzusetzen. Ich spreche dann an, dass man sich klar machen muss, wie das auf die Beziehung wirkt. Denn auch wenn einem Dinge im Nachhinein leid tun, kann man sie nicht ungeschehen machen.
Es ist ganz normal, dass jeder von uns in einer Beziehung heftige, schwer auszuhaltende Gefühle spürt – mal mehr, mal weniger. Wem seine Beziehung wichtig ist, der muss die Verantwortung übernehmen, diese Gefühle bewusst zu dirigieren. Das schließt ein:
Wenn ich ein schlechtes Gefühlsmanagement habe, muss ich bessere Bewältigungsstrategien erlernen.
Schauen wir uns das genauer an.
Geht nicht, gibt’s nicht!
Bei Einigen scheint es da tatsächlich einen Irrtum zu geben: „Es passiert blitzschnell, dass mich die Wut übermannt und ich wie der Stier durchs rote Tuch gehe. Ich kriege das einfach nicht anders hin!“
Die Überzeugung „So bin ich halt“, baut allerdings auf einen entscheidenden Denkfehler. Der Annahme, man sei seinen Gefühlen ausgeliefert. In der Folge glaubt man, man müsse anders fühlen, um anders handeln zu können. Das ist aber ein Riesentrugschluss! Die Schnelligkeit und Wucht, mit der ein Gefühl über einen hereinbricht, verdammt einen nicht für immer und ewig zu einem schädlichen Handeln – auch wenn es einem in dem Moment so vorkommt, als habe man keine Wahl. Wir haben es immer in der Hand zu entscheiden, Dinge anders zu machen.
Langjährige Gewohnheiten verschwinden nicht von selbst
Verstehen Sie mich jetzt bitte aber nicht falsch: sich dafür zu entscheiden, es anders – besser – zu machen, ist nicht gleichbedeutend mit „es ist einfach“.
Ganz im Gegenteil! Vertraute Verhaltensmuster sind nämlich ziemlich tricky. Wer seit Jahren immer wieder auf dieselbe Art und Weise mit einem Gefühl, einer Stimmung oder einer Situation umgeht, der ist schließlich daran gewöhnt. Das Verhalten hat sich durch die zigtausend Male, die es gelebt wurde, geradezu ins Hirn eingebrannt. Bei dem passenden Auslöser, wird es automatisch abgerufen. Das erzeugt auch das Gefühl von Ausgeliefertsein.
Wer jetzt aber im Kopf versteht, dass sein Verhaltensprogramm ziemlich suboptimal ist und er nachbessern muss, um seiner Beziehung keinen Schaden zuzufügen, der ist schon einen großen Schritt vorwärts gekommen.
Trotzdem bringt diese Erkenntnis die Wut nicht zum Schwinden und auch das eigene Handeln wandelt sich nicht von selbst.
Wenn Sie Ihre Wut ernst nehmen, sich aber künftig besser verhalten möchten, muss Veränderung das Ziel sein
Heftigen Gefühlen etwas entgegenzusetzen, während sie einen mitreißen, ist eine echte Herausforderung. Oft kommt das Gefühl blitzschnell hoch, türmt sich riesig in einem auf und bestimmt dann, wo es langgeht. Leider zeigt es sich wie ein wildgewordener Stier: Wir handeln wie angestochen, sind irrational und sagen dann Dinge, die wir später bereuen.
Viele Menschen werden in solch einem Moment einfach mitgerissen. Manche merken sogar während des Irrsinns, dass sie sich daneben verhalten, schaffen es aber trotzdem nicht, die Bremse zu ziehen. Einige wählen die Variante „in sich reinfressen“ oder „kleinbeigeben“. Das schadet der Beziehung am Ende aber auch. So oder so, es müssen bessere Strategien her, um den Ärger zu bewältigen!
Ohne dass Sie eine Veränderung zu Ihrem ganz persönlichen Anliegen erklären, haben Sie keine Schnitte gegen ein solch eingeschliffenes Verhaltensmuster! Machen Sie es sich deshalb zu Ihrem persönlichen Ziel, mit Ihrem Ärger anders umzugehen. Und zwar gesünder – für Sie und Ihre Beziehung.
Das bedeutet, es wartet Arbeit auf Sie. Ziele haben die Eigenart, dass es Zeit, Einsatz und Schweiß braucht, um sie zu erreichen. Wer dabei eine genaue Vorstellung davon hat, welches konkrete Verhalten er erlernen will, hat eine gute Startposition. Andernfalls wüsste man schließlich auch gar nicht, wohin. Das wäre in etwa so, als wollten Sie mehr Sport treiben ohne eine Sportart zu wählen. Nachdem Sie das Ziel haarklein bestimmt haben, müssen Sie im zweiten Schritt planen, wie Sie dort hinkommen. Anders ausgedrückt: Sie müssen Ihr Ziel in viele kleine Mini-Ziele zerlegen. Kurzum, Sie brauchen Wenn-dann-Pläne nach denen Sie ganz konkret im Umgang mit der Wut neue Mini-Handlungen einüben.
Ein paar praktische Ideen
Um solch einen Ziel- oder Trainingsplan zu überlegen, brauchen Sie Ruhe und Hirnschmalz. Klar, dass er nicht vom Himmel fällt. Vielleicht kommen Sie da sogar nur mit professioneller Hilfe voran.
Weil Sie aber möglicherweise nach dem Lesen dieses Artikels schon in den Startlöchern stehen und jetzt am Liebsten loslegen möchten, habe ich im folgenden Video ein paar Sofort-Tipps für die nächste Wut-Situation gebrauchsfertig. Es ist empfehlenswert, die Tipps zunächst „trocken“ zu üben. Wer sie erst in der Wut-Situation ausprobiert, wird vermutlich wenig davon profitieren. Viel Erfolg!
Petra Nordhaus ist systemische Therapeutin und arbeitet als Paarberaterin mit Paaren und mit Einzelnen in Bremen (petra-nordhaus.de).
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Die Empfehlungen von Frau Nordhaus sind sehr umsichtig, sehr ausdifferenziert und damit sehr wertvoll für Paare in einer sehr schwierigen Situation.