Warum phubbing in immer mehr Partnerschaften zu Problemen führt
Ich hab da mal eine Frage: Ich bin verheiratet und habe einen Sohn (7 Jahre). Mein Mann ist er sehr gern im Internet und in den sozialen Medien, alle WhatsApps kommen sogar am Armband an seiner Smartwatch an.
Er hat jetzt eine WhatsApp-Gruppe gebildet mit einem Arbeitskollegen und einer -kollegin, da alle drei gern gemeinsam Rollschuhlaufen und sich zu Terminen absprechen. Leider habe ich auch ab und zu schon die erste Nachricht (die man ja auf dem Display lesen kann) von der Kollegin aufblinken sehen. Diese Kollegin fragt sogar nach dem Tatort am Sonntag, den wir beide gemeinsam gesehen haben, wie ihm der Film gefallen hat. Kann man das nicht am Montag machen wie alle anderen Menschen?
Wenn ich ihn darauf anspreche, reagiert er gereizt und sagt, dass er sich nur gut mit ihr versteht und dass es seine Freiheit sei. Er hält mir vor, eifersüchtig zu sein und redet tagelang nicht mehr mit mir. Ich komme mir überflüssig vor und habe innere Unruhe und friere. Ich schaffe es nicht, das einfach zu ignorieren.
Eine Frau die sonntagabends nach dem Tatort unbedingt noch wissen will, wie ein Arbeitskollege den Film fand, ist eine Gefahr für Ihre Ehe. So einfach ist es schon. Ihnen ist das klar. Ihrem Mann leider nicht.
Noch gefährlicher aber scheint mir das Verhalten Ihres Mannes. Er findet es völlig in Ordnung, sonntagabends nach dem Tatort nicht etwa mit seiner Frau über den Film zu sprechen oder vielleicht, vielleicht auch mal mit ihr zu kuscheln. Er möchte stattdessen lieber mit der netten Kollegin per WhatsApp schreiben. Und seine Frau solle sich mal nicht so haben. Bei Ihnen zu Hause herrscht die Smartphone-Krankheit. Das Smartphone ist wichtiger als Sie.
Ist er untreu?
Mit der netten Kollegin hat er möglicherweise nichts. Wenn die allerdings so nett ist, dass er immerzu Zeit für Sie hat, auch noch sonntags spät, dann würde ich dazu anmerken: Er hat noch nichts mit ihr. Aber sie ist ihm ja schon erkennbar wichtiger als Sie. Und ganz streng genommen ist das schon eine Form der Untreue. Ohne Sex und ohne Liebesschwüre.
Wie alles anfing
Es war Mitte der 90er Jahre, als ich das erste Mal gesehen habe, wie ein Paar beieinander stand und der Mann ausdauernd mit seinem Handy telefonierte. Seine Frau stand derweil ziemlich blöd an seiner Seite. Die beiden befanden sich im November auf einem windigen Nordseestrand. Und froren. Es war kalt, viel zu kalt, um stehen zu bleiben.
Zu der Zeit waren Gespräche mit einem Handy sehr teuer und in der Regel machten nur Geschäftsleute so etwas. Die Frau musste warten. Das Gespräch war wichtiger. Es war wichtiger als sie.
Schon dieses Erlebnis vor über zwei Jahrzehnten ließ für Partnerschaften nichts Gutes ahnen. Mittlerweile haben wir keine Handys mehr – wir nutzen vielmehr Smartphones. Die machen nicht nur Gespräche möglich und SMS, sondern auch noch Nachrichten über Mail, WhatsApp, Facetime und Facebook-Messenger. Auf diese Weise ist das Smartphone heute in vielen Beziehungen wichtiger, als der Partner oder die Partnerin.
Was ist phubbing?
Es gibt sogar schon ein Wort für diese Form des Verhaltens: Phubbing. Phubbing ist ein Kunstwort, das aus dem englischen phone und snubbing gebildet wurde. Snubbing steht für Missachtung. Phubbing ist also eine Form der Missachtung von Menschen die uns nahe stehen. Andere sind ständig wichtiger. Wir aber kommen uns überflüssig vor, haben innere Unruhe und frieren. Verständlich.
Phubbing hat auch zwischen Eltern und Kindern stark zugenommen. Die Hälfte aller Mütter denen ich im Park begegne missachtet ihre Kinder – mit dem Smartphone. Und das tun sie zum Teil auch dann, wenn die Kinder aus dem Kinderwagen zu fallen drohen oder auf den Fahrradweg laufen. Das Smartphone ist ihnen wichtiger. Auch die Unfälle auf Spielplätzen nehmen zu. Die Eltern sind mit anderen Dingen beschäftigt.
Die dritte Stufe der Eskalation – die Smartwatch
Nun haben wir mit der Smartwatch die dritte Stufe erreicht. Selbst beim Gespräch am Mittagstisch oder kurz vor dem ins Bett gehen gibt es extrem wichtige Meldungen – direkt auf die Smartwatch. Auch das führt zu phubbing. Nun ist die Kollegin Ihres Mannes zu jeder Zeit präsent. Selbst wenn Sie mit Ihrem Mann schon im Bett liegen, kommt demnächst noch eine Nachricht von ihr.
Stellt sich die Frage: Hört das dann endlich auf? Die Antwort lautet leider: Nein. Auch danach, wenn Sie sich nach dem Tatort und dem Zubettgehen noch zum gemeinsamen Kuscheln entschließen, geht es mittlerweile bei vielen Paaren weiter mit dem phubbing. Mehr als die Hälfte aller Smartphone-Nutzer hat auch schon beim Sex auf eingehende Nachrichten geschaut.
Knigge für Smartphones und Smartwatches
Lassen Sie sich bitte nicht weiter von ihrem Mann missachten. Smartphones müssen ausgeschaltet werden, wenn Sie etwas von Ihrem Partner haben wollen. Reicht das?
Nein, es reicht nicht. Die Wissenschaft hat längst erwiesen, dass selbst ein ausgeschaltetes Smartphone seinen Besitzer ablenkt, wenn es noch auf dem Tisch liegt. Schon dann wandern die Gedanken eines Smartphone-Besitzers (und einer Smartphone-Besitzerin) immer wieder zu den Mails, den WhatsApps und all den anderen Versuchungen der sozialen Medien. Und damit in Ihrem Fall zu der schrecklich netten Kollegin.
Die Umgangsformen in Ihrer Partnerschaft sind derzeit in einer Schieflage. Sie sollten eine klare Ansage machen. Das Smartphone oder die Smartwatch kann zu vereinbarten Zeiten genutzt werden. Danach ist es wieder aus und aus dem Blick. Und ab 20 Uhr ist ohnehin Partnerschaftszeit – und keine Zeit mehr für die Kollegin.
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Es ist eine schrecklich traurige Entwicklung, dass ein technisches Gerät und die damit verbundene Informationsvielfalt so wichtig geworden ist. Es zeugt von Respektlosigkeit gegenüber real anwesenden Personen. Und wenn sogar die eigenen Kinder keine Beachtung mehr finden, frage ich mich, wie dieser „Trend“ zu stoppen ist.