In Gesprächen mit Eltern hören wir immer wieder den Satz: „Niemand erzählt, wie es ‚wirklich’ ist“. Oder: „Das hat mir niemand gesagt“. Man kriegt ein gesundes Baby und hofft, dass jetzt alles perfekt und schön sei, „von Glücksgefühlen überflutet“. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit, denn man fühlt sich in den ersten Wochen auch erschöpft, übermüdet und fremdgesteuert! Wie viel leichter fühlt es sich an, wenn man wenigstens mal hört, dass es anderen auch so geht?

Oder man hat ein Kind, das einem im Moment gerade viele Sorgen bereitet und denkt, dies sei nun eben das persönliche Schicksal, die eigene persönliche Herausforderung. Sehr oft hören wir von Eltern Aussagen wie: „Unser Kind hat eben einen besonders harten Kopf!“ Oder noch deutlicher: „Es hat halt einen etwas schwierigen Charakter.“ Gut, solche Erklärungen scheinen etwas zu entlasten.

Aber viel interessanter ist doch, dass die meisten Eltern bei ihrem Kind schwierige Charaktereigenschaften und (kürzere oder längere) Phasen erleben, in denen das Kind mit dem Kopf durch die Wand will und Kämpfe an der Tagesordnung sind. Das gehört dazu!

Ein Vater brachte es auf den Punkt: „Alle haben nur bis zur Geburt erzählt und dann war Schluss mit Vorbereitungsinformationen“. Und eine Mutter sprach aus, was wohl jedem von uns mal durch den Kopf ging: „Für alles, für jeden Beruf, fürs Autofahren, selbst für den Hund muss man heute eine Ausbildung besuchen, aber Kinder kriegen und Erziehen kann jeder“.

Über 150 Eltern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben an unserer Umfrage teilgenommen und uns ihre persönlichen und subjektiven Meinungen geschrieben. Wir waren überwältigt von der Offenheit und Persönlichkeit dieser Aussagen. Eigentlich schien uns nur Weniges wirklich zu überraschen, das Meiste war uns, selber Eltern von drei Kindern, sehr bekannt und vertraut. Aber heute, rückblickend, denken wir, dass wir das eine oder andere gerne vorher gehört bzw. gewusst hätten.

Aber nun ja, vielleicht will man das alles, bevor man ein Kind hat oder gar noch bevor man sich dafür oder dagegen entscheidet, auch gar nicht wirklich lesen. Wir sind davon überzeugt, dass in der heutigen Zeit die Entscheidung für ein Kind sowieso eine überwiegend emotionale Entscheidung ist, denn rational gesehen, spricht unendlich Vieles gegen ein Kind (beginnen wir nur mal mit den Kosten bei gleichzeitigem Verlust von Erwerbseinkommen, Schlafmangel, Verlust an Freizeit, ….). Also besser gar nicht darüber sprechen bzw. schreiben? Ist das vielleicht der Grund, warum es niemand macht?


Als Eltern werden Sie sich in diesem kurzen Video bestimmt wiedererkennen.


Bestärkt durch die vielen Rückmeldungen aus unserer Onlineumfrage tun wir es trotzdem. Warum? Kaum etwas in unseren persönlichen und beruflichen Erfahrungen als Therapeutin und Eheberater hat uns und unsere Arbeit so sehr geprägt wie die Erkenntnis, dass wir Menschen mehr und vor allem offener miteinander sprechen sollten. Damit meinen wir nicht höfliche Floskeln wie „Bei uns läuft alles bestens!“, „Es kommt schon gut“ oder „Es ist nur eine Phase“, sondern wir meinen offene Ich-Aussagen, persönliche Botschaften, in denen wir unsere Gefühle, Ängste und Wünsche aussprechen.

Wir sind der Meinung, dass Eltern wissen sollten, dass sie nicht alleine sind und dass andere Eltern sehr häufig das gleiche erleben wie sie. Elternschaft wird zu oft idealisiert und romantisiert, insbesondere in den Medien. Das hilft aber wenig, im Gegenteil, gerade junge Eltern können sich dadurch umso mehr belastet und alleingelassen fühlen. Oder noch schlimmer, sie denken bei ihnen läuft etwas verkehrt. Aber anstatt mit anderen Eltern über ihre Sorgen zu sprechen und sich so gegenseitig zu unterstützen, suchen sie lieber Fachpersonen auf oder lesen einen Ratgeber nach dem anderen.

So werden normale kindliche Verhaltensweisen zu „Problemfällen“ und normale Erziehungsaufgaben zu Schwierigkeiten, die scheinbar nur Fachpersonen lösen können. Die Verunsicherung bei vielen Eltern ist enorm. Es ist sicherlich wertvoll, wenn man sich Hilfe holt, aber wir sind der Meinung, dass es bereits sehr entlastend sein kann, wenn man von anderen hört, dass sie die gleichen Themen kennen und zumeist einen guten Weg gefunden haben, damit umzugehen.

Eltern sein

Immer wieder sagen uns Eltern, dass ihnen ein offenes Gespräch mit anderen Eltern am meisten gebracht hat, da man so erkennen kann, dass es anderen ganz ähnlich geht und alle mit ähnlichen Themen „zu kämpfen“ haben.

„Nein, es ist nicht alles gut bei uns im Moment. Wir haben grad den Überblick verloren vor lauter neuen Schulterminen. Die Kleine schläft schlecht seit dem Schuleintritt vor lauter Überreizung und Aufregung, und ich bin gerade selber sehr gestresst, was sich natürlich auch wieder auf die Kinder auswirkt…“.

Wir sind davon überzeugt, dass wenn wir alle offener über Herausforderungen und Schwierigkeiten sprechen, besser einordnen können, was einen erwarten könnte, man sich aber auch generell besser vorbereitet und entlastet fühlt. Offene Gespräche fördern auch das gegenseitige Verständnis.

Diese Einstellung wurde durch einige Umfrageteilnehmer/innen genauso bestätigt. Denn die Erfahrungen von anderen helfen weiter. Niemand wird als Elternteil geborgen. Elternschaft ist ein Erfahrungs- und Lernprozess. Wie bei allen anderen Bereichen im Leben, macht es doch gerade auch hier Sinn, von anderen erfahrenen Eltern zu lernen.

Vielleicht erscheint dieses Buch auf den ersten Blick wie eine Auflistung aller möglichen Problemfälle, die uns als Eltern begegnen werden. Es ist in der Tat wohl etwas einseitig auf die schwierigen Aspekte der Elternschaft ausgerichtet. Interessant ist jedoch die Tatsache, dass das Buch aus folgenden Fragestellungen entstand:

  • Was hat sich durch Ihre Kinder in Ihrem Leben / Ihrer Partnerschaft verändert?
  • Was haben Sie so nicht erwartet?
  • Was sollten werdende Eltern Ihrer Meinung nach unbedingt wissen?

Das also viele schöne Seiten der Elternschaft ausgeklammert bleiben, hat möglicherweise damit zu tun, dass die befragten Eltern der Meinung sind, darüber weiß man genug. Sie haben aus ihrer subjektiven Sicht beschrieben, worüber sie selbst zu wenig gewusst oder nicht so erwartet hatten.

Durch die Fragestellung „Was sollten werdende Eltern Ihrer Meinung nach unbedingt wissen?“ haben wir sehr wertvolle Hinweise für mögliche Unterstützungen erhalten. Diese elterlichen Ratschläge und persönlichen Erfahrungen haben uns dazu bewegt, diese ebenfalls in dieses Buch aufzunehmen und mit unserer professionellen Erfahrung zu ergänzen. Einer der wichtigsten Aussagen, welche wir sehr unterstützen, nehmen wir gleich hier vorweg: „Verlassen Sie sich als erstes auf ihr Bauchgefühl als auf die vielen Ratschläge von überall her“.


150 Eltern packen ausIn diesem Buch haben wir die Aussagen der Eltern thematisch zusammengefasst und durch unsere Erfahrungen aus der Praxis ergänzt. Die Aussagen der Eltern sind im Buch stets unverändert und in Kursivschrift gehalten damit sie als solche wahrgenommen werden.

Jedes Kapitel dieses Buches ist gleich aufgebaut. Nach einer kurzen Einleitung und Erläuterung zum Thema, folgt das was Eltern in ihrem Alltag mit ihren Kindern erleben. Abgeschlossen wird jedes Kapitel mit einer Zusammenfassung der Tipps, die Eltern und Fachpersonen zu dem jeweiligen Thema geben. Jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen, daher kann das Buch kapitelweise oder als Ganzes gelesen werden.

Peter Michalik

Beziehungs ABC

 

 

 

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