Die Liebesblogger

Zwei Männer sind weniger als einer

Ich habe eine Affäre

Ich hab da mal eine Frage: Mein Mann und ich sind beide Anfang 50, fast 25 Jahre zusammen und sehr glücklich miteinander. Wir lieben uns, reden viel miteinander und haben auch ein erfülltes Sexualleben. Trotzdem habe ich seit ein paar Jahren eine Sex-Affäre. Diesen Mann kenne ich von Kindheit an. Er ist auch glücklich verheiratet. Wir treffen uns 2 bis 3-mal jährlich für ein paar Stunden, um Sex miteinander zu haben. Das ist immer sehr schön und wir wollen es beide nicht mehr missen. Mein einziges Problem dabei ist, dass ich meinen Mann betrüge. Das Risiko des Entdecktwerdens ist auch immer da. Deshalb würde ich lieber ehrlich sein, aber er würde das nicht verstehen. Dann wäre sicher alles aus und das möchte ich nun wirklich nicht. Ich will gern mit ihm zusammen alt werden.

 

Ich gebe gleich mehrere Dinge zu bedenken. Zunächst einmal stellt sich die Frage, wie Sie sich wohl fühlen würden, wenn herauskäme, dass Ihr Mann Sie über Jahre hinweg mit einer anderen betrogen hätte. Wie würde es Ihnen dann wohl gehen? Würde es Sie gleichgültig lassen?  Oder würde es Sie so sehr aufwühlen, dass Sie die Beziehung beenden würden, weil Sie sich Tag und Nacht fragen, wie es Ihnen jemals wieder gelingen kann, dem Partner der Sie betrogen hat, zu vertrauen?

Damit sind wir beim zweiten Punkt, den Sie bedenken sollten. Wenn Ihr Verhältnis herauskommt – und das tut es nach meiner Erfahrung in über 90 Prozent der Fälle irgendwann einmal – dann ist Ihre Ehe, die sie doch angeblich so schätzen, vermutlich zu Ende. Unwiederbringlich, wie Theodor Fontane dazu sagte.

Noch ein dritter Punkt ist zumindest des Nachdenkens wert: Warum nur geht eine Frau fremd, wenn sie doch mit ihrer Ehe angeblich zufrieden ist? Auf diese Frage kann ich Ihnen möglicherweise eine Antwort geben, die auf vielen Jahren der Beratung fußt: Sie geht fremd, weil sie mit der bestehenden Beziehung unzufrieden ist. Zumindest mit einigen Aspekten der bestehenden Beziehung.

In meinen Augen machen Sie sich also etwas vor. Sie glauben, dass in Ihrer Beziehung alles stimmt – aber nach meiner Erfahrung braucht es nur einige wenige Fragen in der Beratung, und es ist klar, womit Sie unzufrieden waren als Sie die Untreue begannen. Da wir Unzufriedenheit mit dem Partner aber nur schwer mit unserem Konzept von der Liebe zusammenbekommen, verdrängen wir die Unzufriedenheit gerne. Und das hat Folgen – eine größere Offenheit für Affären zum Beispiel.

Ich kann Ihnen nicht zur Fortsetzung Ihrer Affäre raten. Der Schaden, wenn es rauskommt, steht in keinem sinnvollen Verhältnis zu dem begrenzten Nutzen, den Sie derzeit daraus ziehen. Zudem wäre es für Sie und Ihr Leben viel besser, wenn Sie Ihre Energie auf die Verbesserung der bestehenden Beziehung konzentrieren.

Ein letzter Einwand noch: Kommt alles raus, dann stehen Sie gänzlich alleine da. Denn dann zeigt sich mit aller Härte, warum die Regel bei Untreue heißt „Zwei Männer sind weniger als einer“. Sie werden dann beide Männer verlieren. Und ganz von vorne anfangen müssen. Bei Null.

 

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Zum Weiterlesen

 

Andrew G. Marshall: Kann ich dir jemals wieder vertrauen. So bewältigen Sie den Seitensprung Ihres Partners. Goldmann Taschenbuch.

 

Shirley P. Glass: Psychologie der Untreue. Klett Cotta.

Mehr zum Buch von Shirley Glass erfahren Sie in einem Interview, dass die Übersetzerin, die Nürnberger Paarberaterin Susanne Nagel, der Nürnberger Zeitung gegeben hat: „Man kann untreu werden, ohne Sex zu haben“.

 

Theodor Fontane: Unwiederbringlich. Dtv.

5 Kommentare

  1. Lara

    Hallo, ich habe einen Gedanken an die Fragestellerin.
    Vielleicht müssten Sie überlegen, was oder ob Ihnen in Ihrer langjährigen Beziehung etwas fehlt? Also, warum Sie fremdgehen. Wenn Sie den Grund kennen, können Sie vielleicht besser eine Entscheidung treffen? Ist es nur Lust auf Sex oder lieben Sie Ihren Freund aus Kindertagen auch? Wenn es nur 2-3 mal im Jahr ist, denke ich aber, dass es eher Spaß ist und nicht mit wirklich tiefen Gefühlen verbunden ist, oder? Ich wünsche Ihnen alles Gute und eine Entscheidung, mit der Sie sich wohlfühlen 🙂

    @Herr Thiel: Mich würde interessieren, ob Sie genauso geantwortet hätten, wenn ein Mann diese Frage hier gestellt hätte 😉

    • Christian Thiel

      Ja Lara,
      das hätte ich nicht nur – das habe ich auch schon oft. Ich schreibe jetzt seit sechs Jahren eine Kolumne für die Sächsische Zeitung. Dort werde ich von Männern wie Frauen und auch von Geliebten nach meiner Meinung gefragt. Ich rate bei Untreue in der Regel ab. Ich tue das aus einem einfachen Grund: Die meisten Menschen schaden nicht nur anderen (schlimm genug), sie schaden damit nahezu immer auch sich selber. Und das gilt für Männer ganz genau so wie für Frauen. Der Mann mit zwei Frauen hat keine Heimat. Er weiß nicht, wo er hingehört.
      In der Beratung hier in Berlin kommen sogar deutlich mehr Männer zu mir als Frauen. Meine Devise lautet dann: Zwei Frauen sind weniger als eine.
      Warum sollte ich da unterschiedlich werten? In meinen Augen wirkt sich Untreue auf Männer eher noch problematischer aus, als auf Frauen – aber das ist dann schon wieder ein ganz anderer Text.

  2. Lara

    Hallo, Herr Thiel, vielen Dank für Ihre Antwort! Für mich klang Ihr Text, als ob da etwas Persönliches mit hineinschwang, daher fragte ich.
    Eine Freundin von mir sagt immer, dass die Frauen „Schuld“ seien, wenn verheiratete Männer fremd gehen, weil sie sich in die Ehe drängen. Das sehe ich überhaupt nicht so. Aber ich denke, dass dem Mann dann etwas fehlt, sonst würde er nicht betrügen. Dazu meint sie, dass ihnen sicher nichts fehle, „Männer seien so“, sie können mehrere Frauen gleichzeitig lieben, weil sie wie Tiere seien, triebgesteuert eben und da könne man nichts machen und es ihnen nicht vorwerfen. Dazu würde mich Ihre Meinung interessieren, falls Sie noch mal antworten möchten. Ich denke, dass es solche und solche Männer gibt, einer kann das, der andere nicht, oder?
    Herzliche Grüße

    • Christian Thiel

      Hallo Lara,
      Ihre Freundin hat ein Männerbild, das ich nicht teile. Warum Männer einen Sexualtrieb haben sollten und Frauen nicht, das klingt zumindest unlogisch. Zudem ist Sexualität für den Menschen deutlich mehr als ein Trieb. Es geht bei ihr eben nicht um die Fortpflanzung, oder zumindest geht es nur sehr selten darum. Es geht bei der menschlichen Sexualität um die Bindungsgefühle, die sie in uns auslöst. Das ist in meinen Augen bei Männer wie bei Frauen so.
      „Schuld“ ist keine Kategorie, in der ich denke. Es geht um Verantwortung. Die Verantwortung für das Fremdgehen hat immer der, der fremd geht. Das gilt allerdings auch für den oder die außenstehende Dritte.
      Auch diese Position kann allerdings sehr, sehr selbstschädigend sein. Ich habe auch schon mit allen dreien gearbeitet. Das Ergebnis: Im Verlauf der Untreue befanden sich alle Beteiligte in so extremen Gefühlslagen, dass sie befürchteten, eine Noteinrichtung zum Beispiel in einer Klinik aufsuchen zu müssen.
      Die Position der oder des außenstehenden Geliebten ist auch deshalb so gefährlich, weil sie sich oft Hoffnungen machen – auf eine stabile Partnerschaft. Diese Hoffnungen sind in der Regel nicht begründet. Nur aus 3 Prozent alles Liebschaften wird je eine stabile Partnerschaft. Drei Prozent!
      Klingt nicht aussichtsreich.
      Schöne Grüße aus Berlin
      Christian Thiel

  3. Lara

    Ja, ich finde dieses Männerbild etwas „altmodisch“. Danke, dass Sie nochmals antworteten, bzw. sich die Zeit nehmen 🙂 Also die außenstehende Dritte = die/der Geliebte hat auch Verantwortung? Hm, ich denk immer, wenn ich es nicht bin, ist „sucht“ er sich eine andere, also es ist der Typ Mann, der einfach so ist. Ich (zu der Zeit auch Single) war mal ein paar Monate mit einem Mann zusammen, erst nach dieser Zeit erfuhr ich durch Zufall, dass er verheiratet war. Sicher ungewöhnlich, aber daraufhin trennte ich mich sofort, obwohl er mir sehr viel bedeutete. – Was Sie erzählen, über die Arbeit mit allen Beteiligten, klingt ja wirklich erschreckend! Aber ich kann es mir vorstellen.
    Auch Grüße aus Berlin und alles Gute!
    Lara

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