Ich habe mich von meiner Frau getrennt, als unser Sohn 10 Jahre alt war. Nach einigen Startschwierigkeiten haben wir uns entschlossen, eine Eltern-WG aus unserem Haus zu machen. Wir haben also aus einem Haus ein Doppelhaus gemacht. Beide Eltern haben geschlossene eigene Wohnbereiche mit eigenem Sanitär- und Küchenbereichen – nur das Kinderzimmer hat Zugang zu beiden Wohneinheiten.
Bisher habe ich zwei Beziehungsversuche (12 und 18 Monate) gestartet, die beide an der Akzeptanz der neuen Partnerin gegenüber dieser Eltern-WG gescheitert sind und das obwohl mein Sohn inzwischen 18 Jahre alt ist und ein Ende dieser Wohnsituation abzusehen ist.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass es da draußen eine Partnerin gibt, die meine Verantwortung gegenüber meinem Sohn zu schätzen weiß und akzeptiert.
Ich habe zu Ihrer Zuschrift eine Einschätzung. Vermutlich werden Sie aber nicht eben begeistert sein.
Zunächst einmal kommt jetzt eine der wichtigsten Regeln für eine neue Partnerschaft. Sie lautet: Ein Paar muss sich ein eigenes Nest bauen können.
Schauen wir unter dieser Perspektive des Nestbaus auf Ihr Liebesleben, so ergibt sich ein eindeutiges Bild. Sie können einer neuen Frau diesen Nestbau nicht bieten – Sie haben ja schon ein Nest (Ihr Lebensmodell heißt in der Ratgeberliteratur ja sogar Nestmodell) und haben möglicherweise auch nicht vor, davon zu lassen. Vielleicht ändert sich das angesichts des Alters des Sohnes jetzt. Das würde Handlungsspielräume für Ihr Liebesleben eröffnen, die es in der Vergangenheit nicht hatte. Deshalb Ihr Scheitern bei Beziehungen.
Es kommt allerdings noch schlimmer: Die große räumliche Nähe Ihres Lebensmodells zu Ihrer Exfrau wird von jeder, absolut jeder Frau auf die Sie treffen, als unangenehm erlebt werden. Ich hatte schon viele Männer wie Frauen mit einem ähnlichen Modell wie dem ihren. Es bedeutete nahezu immer, dass neue Partner ausgesprochen schnell das Weite suchten. Den Betreffenden blieben damit nur unverbindliche Beziehungsformen wie die des Lovers oder BAN (besser als nichts), die nicht für die Ewigkeit gedacht sind.
Wenn die Ex allgegenwärtig ist
Die Nähe zur Ex hat immer auch Folgen: Die Ex braucht eine helfende Hand, um die Dachrinne zu reinigen – kein Problem, Sie sind ja da. Die Ex braucht jemanden, der sich jetzt sofort für die nächsten zwei Stunden um den Sohn kümmert – kein Problem, Sie sind ja da. Und machen es gerne. Die Ex braucht jemanden, der bei ihr die Blumen gießt – kein Problem, Sie sind ja da. Und so weiter und so fort.
Manche Männer mit diesem Lebensmodell waschen noch die Wäsche gemeinsam und der Mann hängt die Slips seiner Ex auf die Leine (neben seine Boxer-Shorts). Wen das alles stört? Die neue Frau an seiner Seite. Klar.
Zu alledem glaube ich Ihnen nicht, dass es Ihnen bei dem ganzen Arrangement nur um das Wohl des Sohnes ging. Dem wäre mit einem klaren Cutt der Eltern möglicherweise mehr geholfen. Denn auch dann kann man Verantwortung für das Kind übernehmen. Es geht bei diesem Modell darum, dass beide Eltern nicht auf den täglichen Umgang mit dem Kind verzichten wollen (was nicht zu kritisieren ist, aber eben Folgen für das Liebesleben hat). In meinen Augen geht es um Ihre Wünsche und um Ihre Bedürfnisse – und nicht in erster Linie um die des Kindes.
Die neue Frau fühlt sich als Geliebte – außerstenfalls
Aus alledem ergibt sich noch ein weiteres Problem. In der Rangfolge der Wichtigkeiten in Ihrem Leben bleibt der neuen Frau vermutlich nur einer der hinteren Ränge.
Erst kommen so Dinge wie das Kind, die Ex, das Haus (von dem Sie möglicherweise auch nur schwer lassen wollen), die Hunde (die es oft auch noch gibt und um die Sie sich natürlich auch kümmern wenn die Ex keine Zeit dazu hat). Sodann kommt die Arbeit, um das teure Lebensmodell finanzieren zu können. Und am Ende kommt dann auch noch eine neue Frau, die sich mit dem Brosamen die vom Tisch für sie herabfallen begnügen soll.
Aus der Sicht der neuen Frau ergibt sich in der Regel schon nach wenigen Monaten der klare Befund, dass sie äußerstenfalls den Status einer Geliebten hat. Von der nicht erfolgten Scheidung, die mit Modellen wie dem Ihren fast immer einhergeht, habe ich jetzt noch gar nicht gesprochen und auch nicht davon, dass gemeinsame Geburtstagsfeiern und Weihnachtsfeste und möglicherweise auch noch gemeinsame Urlaube der Eltern mit dem Kind zum Konzept der Eltern-WG hinzukommen.
Sie verlangen in meinen Augen schlicht zu viel
Ich muss es so deutlich sagen: Das hält niemand aus, der sich eine richtige, eine ganze Beziehung wünscht, eine Beziehung, in der er ein Zuhause und eine Heimat finden kann, seelisch wie räumlich. Kein neuer Partner, keine neue Partnerin hat das je durchgehalten, zumindest nicht in meiner Beratungspraxis. Alle die es versucht haben, sind damit, wie Sie auch gescheitert.
Nein, ich werde die Verantwortung für dieses Scheitern jetzt nicht den Frauen zuschieben, auf die Sie betroffen sind. Sie verlangen in meinen Augen schlicht zu viel von ihnen.
Sie können einer neuen Frau das Wichtigste was ein Paar auf Dauer braucht nicht bieten: Das gemeinsame Nest und das Gefühl, die Nummer eins zu sein. Erst wenn Sie einer Frau an Ihrer Seite das möglich machen können, dann sind Sie auf dem Markt der Partnersuche wieder voll einsatzfähig. Bis dahin sind Sie es, so ungern ich es auch sage, leider nicht.
Hmm, also ich kenne das Nestmodell so, dass es eine gemeinsame Wohnung mit den Kindern gibt und jeweils eine, in der die Eltern getrennt leben (insgesamtalso 3). Ich kenne Eltern, die abwechselnd mit den Kindern in der Nestwohnung wohnen, die andere Hälfte der Woche aber z.b mit der neuen Partnerin in einer getrennten Wohnung. Wenn man das finanziell stemmen kann, ist das doch ein Modell, in der man Elternsein und neue Partnerschaft verbinden kann oder nicht? Der Ratsuchende müsste nur in Aussicht stellen, mit der neuen Partnerin woanders zu wohnen.
Ich kenne keine Eltern, die sich drei Wohnungen leisten können. Zwei Wohnungen hatte ich schon. Dabei bleibt stets und immer das Liebesleben desjenigen auf der Strecke, der keinen Privatraum deutlich entfernt von der Partnerin oder dem Partner hat. Mir scheint das Wechselmodell deutlich besser zu sein – jedenfalls wenn es um das Liebesleben der beiden Eltern geht. Und deren Zufriedenheit ist für die Kinder ja auch nicht von Schaden.
Danke für diese klaren Worte. Ich bin beim dating oft auf solche Männer getroffen. Die neue Frau soll sich in seinem Modell arrangieren, sonst ist sie „kompliziert“, nicht er. Ist ja nur wegen des Kindes. Keiner dieser Männer hat das so gesehen wie Sie schreiben. Sie fanden sich toll als super Väter.
eine triftige einschätzung, macht absolut sinn. in der tat ist es ziemlich viel verlangt von der frau, all die „vereinnahmungen“, die sich aus dieser familiären situation ergeben, einfach hinzunehmen.
Ich kenne verschiedene modelle, tatsächlich auch die mit 3 wohnungen – ein ziemlicher stress für die eltern, die das – angeblich – zum wohl der kinder tun. womit es den kindern nun wirklich gut geht, wäre zu ergründen. gestresste eltern sind es natürlich auch nicht wirklich … so oder so, es braucht eine lösung für alle beteiligten und das ist oft leider nicht so einfach.
Herr Thiel, Sie bringen es einfach immer super anschaulich auf den Punkt. Ich sehe das als Psychotherapeutin und Paarbetaterin ebenso. Liebe Grüsse aus der Schweiz!
Danke, liebe Frau Hefti.
Schöne Grüße aus Berlin!
Wir leben auch als Patchworkfamilie, jeder von uns hat eigene Kinder. Wir wohnen nicht zusammen. Hier wird das Residenzmodel praktiziert, indem mein Partner die Zeit mit seinem Sohn in seiner Wohnung verbringt. Und auch das ist schon für mich eine Herausforderung, weil ich immer mich hinten anstellen muss und mich allen Aktivitäten und und den Ferien-und Urlaubsplanungen anpassen muss, weil er eben als guter Papa da stehen möchte..
wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich niemals einen Mann mit Kind als Partner nehmen. Man ist nie die Nummer eins…