Vor einigen Monaten hatte mein Mann (49) beim Sex keine Erektion, zumindest hielt sie nicht länger als ein paar Minuten. Er hat sich dann brüsk von mir abgewandt. Seither meidet er die Sexualität komplett – und kritisiert ständig an mir rum. Meine Brüste seien nicht mehr so straff wie mit dreißig, sagt er. Ich könne mich doch operieren lassen.

 

Unser Bild von der männlichen Sexualität sieht vor, dass er stets und immer kann. Und will. Dabei ist die männliche Sexualität genauso leicht zu stören wie die weibliche. Sex entsteht im Kopf (und nicht zwischen den Beinen). Die üblichen Störfaktoren heißen zum einen Stress und zum anderen eine schwierig laufende, nicht sehr liebevolle Beziehung.

Ich habe vor Jahren mal mit einem Urologen über die Erektionsstörung des Mannes gesprochen. Er war ziemlich genervt davon, dass nahezu alle Männer von ihm eine medizinische Diagnose und eine Pille wollen – obwohl die Ursache für keine Erektion oder eine halbe Erektion oder eine sehr kurze Erektion des Mannes in den allermeisten Fällen im zwischenmenschlichen Bereich liegt.

 

Männer geraten oft in die Vermeidungsspirale

 

Ich fange mit dem Stress mal an. Berufliche Probleme können sich auf unsere Seele legen. Sorgen wegen einer Krebs- oder Demenzdiagnose bei den eigenen Eltern ebenso. Das ist für Frauen kein großes Problem, da sie in der Regel davon ausgehen, dass sich Stress auf ihre Sexualität auswirkt. Sie nehmen es also nicht persönlich. Bei Männer ist das oft anders. Da sie erwarten, dass sie immer können, geraten sie aus der Fassung, wenn es mal nicht klappt.

Die Wahrscheinlichkeit, dass es mal nicht klappt liegt, bezogen auf die gesamte Lebenszeit eines Mannes bei annähernd 100 Prozent. Glaubt ein Mann, dass das nicht normal ist, dann gerät er schnell in eine Vermeidungsspirale. Er meidet die Sexualität, weil sich keine Erektion zu haben für ihn so schrecklich unangenehm anfühlt. Unmännlich.

Ihrem Mann scheint so etwas passiert zu sein. Zumindest in meiner Praxis war die Ursache für keine Erektion in aller Regel kein schlaffer Busen, sondern eine zunehmende Distanz zwischen den beiden Partnern. Die menschliche Sexualität sorgt nicht nur für eine hohe emotionale Verbundenheit eines Paares, sie hat auch ein erhebliches  Maß an Verbundenheitsgefühlen zur Voraussetzung. Beides bestärkt einander. Paare die sich sehr verbunden fühlen, sehr zufrieden miteinander sind und sich in der Beziehung verstanden und gesehen fühlen, haben in der Regel häufiger Sex. Und der häufige Sex führt dann zu noch mehr Verbundenheit und noch mehr Zufriedenheit. Diesen Paaren gelingt es dann auch, mit den üblichen Alterungserscheinungen unseres Körpers gut zurecht zu kommen.

 

Versuchen Sie es bitte mit der OP am offenen Herzen

 

Eine OP hilft Ihnen, nach allem was ich davon verstehe, also nicht weiter, zumindest keine Brust-OP. Eine „OP am offenen Herzen“, wie ich Paarberatung auch gerne nenne, dagegen schon. Sie brauchen (vermutlich) mehr emotionale Zuwendung. Mehr Verständnis. Mehr Gespräche, bei denen Sie sich wirklich füreinander interessieren. Gibt es das bei Ihnen überhaupt noch?

Die Reaktion Ihres Mannes auf sein Erektionsproblem spricht jedenfalls Bände: Er beschuldigt Sie. Es liegt an Ihnen. Das ist zum einen falsch – und zum anderen ist es grob unhöflich. Er stößt Sie vor den Kopf. Ich fürchte, er ist auch sonst nicht eben der einfühlsamste Partner. Das hat Folgen für Ihr Miteinander und auch für Ihre Sexualität. Wenn er das begreift, dann könnte es zu einer Wiederaufnahme der Sexualität kommen. Bleibt allerdings alles wie es derzeit ist, dann geht Ihre Ehe einen schweren Gang. Das Ende der Sexualität ist für die meisten Ehen das Ende der Beziehung selber – auch wenn es dann noch Monate und manchmal auch Jahre braucht, bis dieses Ende offiziell besiegelt wird.

Was Ihr Mann dann machen wird, das hat er indirekt schon angekündigt. Er wird sich vermutlich eine Dreißigjährige suchen. Mit straffen Brüsten.