Die Liebesblogger

Ist sie Borderline?

Ich hab da mal eine Frage: Ich bin seit drei Jahren mit einer neuen Frau zusammen, wir lieben uns sehr. Trotzdem kommt es regelmäßig zu sehr heftigen Streits, wie ich sie aus meiner Ehe nicht kenne. Es wird immer sehr laut – und manchmal gibt es sogar Handgreiflichkeiten, zumeist von ihrer Seite. Wir waren in der Zwischenzeit schon fünf Mal getrennt, versuchten es dann erneut. Manchmal habe ich den Verdacht, meine Partnerin leidet unter Borderline.

 

Borderline ist eine schwere psychische Störung, bei der ein Mensch zwischen der Haltung „Ich liebe dich über alles“ und der Haltung „Ich hasse dich“ hin und her schwankt. Wer unter einer Borderline-Störung leidet, der ist diesen Wechseln von Liebe zu Hass scheinbar hilflos ausgeliefert. Die Betreffenden haben in ihrer Kindheit scheußliche Dinge erlebt. Schon damals haben sie zwischen diesen beiden Polen gependelt – weil die Eltern extrem schwierig waren. Ob das bei Ihrer Partnerin der Fall war, das kann ich nicht beurteilen.

Ich habe schon Dutzende von Männern in der Beratung gehabt, die fest davon überzeugt waren, ihre Partnerin sei ein „schwerer Fall“. Boderline ist dann eine beliebte Diagnose. Keine von diesen Frauen hatte diese Störung.

Wie kommt es dann zu diesen krassen Wechseln von „himmelhochjauzend“ zu „zu Tode betrübt“? Nicht nur Menschen können an Borderline erkranken – auch Partnerschaften können das in gewisser Weise. Erst herrscht totale Harmonie – So glücklich waren wir ja noch nie! – und dann der Kampf bis auf Messer. Dazu muss niemand der beiden eine schwere Störung haben. Die Partnerschaft selber hat die Störung.

In der Regel fängt so eine Partnerschaft sehr, sehr schnell an. Ein oder zwei Dates – und schon landet man im Bett. Die Anziehung ist ja so groß. Dann kommt hinzu, dass der Sex viel besser ist, als er in der langjährigen Ehe war. Das ist nicht ungewöhnlich, denn der Sex in langjährigen Ehen die auseinandergehen war oft etwas lieblos. Der tolle Sex in der neuen Beziehung ist dann aber so überwältigend, dass beide denken, sie erlebten gerade eine ganz besondere Form der Liebe.

 

Verliebtheit trübt den Blick

 

Zu diesem Fehlschluss werden die Liebenden auch noch durch die Hormone verführt, die bei Verliebten oft den Blick für die Wirklichkeit trüben. Sie glauben zutiefst, einen „Seelengefährten“ gefunden zu haben. So nimmt das Unglück seinen Lauf.

Die beiden  haben den Kontakt zur Realität verloren. Die ist aber leider so: Die Partner kennen sich noch kaum. Sie wissen nur wenig voneinander. Sie kennen nicht die empfindlichen Stellen des anderen. Und sie haben auch keine Ahnung, wie sie mit den empfindlichen Stellen des anderen umgehen müssen.

Und so kommt es zu einem Wechselspiel: Erst herrscht totale Harmonie, mit ausgelöst durch den tollen Sex. Dann aber kommt es zu einer Handlung oder Bemerkung des anderen die uns verletzt. Das nehmen wir ihm übel, verletzten ihn ebenfalls – und schnell befinden wir uns in einem heftigen Streit. Jetzt übernimmt die Wut die Regie. Und ehe Sie sich versehen hat einer von Ihnen seine Sachen gepackt und hat die Beziehung beendet. Wieder und wieder.

Sie beide müssen aufhören, sich im Zustand der Wut zu attackieren. Das sorgt für die größten Verletzungen. Sorgen Sie in Zukunft dafür, dass Sie sich erst beruhigen – zum Beispiel durch einen Spaziergang – und dann erst unterhalten. Wenn beide wieder ruhiger sind.

Solche On-Off-Beziehungen haben leider eine geringe Haltbarkeit. Sie enden in der Regel nicht durch einen Streit – sondern wegen Ermüdung. Sie leben in keiner großen Liebe, sondern in einer destruktiven Beziehung. Das liegt vermutlich an Ihnen beiden – und nicht an einer Störung Ihrer Partnerin.

 

Mehr Wissen

Am 22. Januar 2018 bin ich wieder in Linz in der Reihe „Beziehungsfallen“ . Der Vortrag „Streit ist auch keine Lösung“ beginnt um 19 Uhr. Er findet im Festsaal des Neuen Rathauses statt.

 

Mehr lesen

 

Um keinen Beitrag mehr zu verpassen, bestellen Sie doch einfach den Newsletter! So werden Sie jedes Mal informiert, wenn ein neuer Beitrag erscheint!

 

4 Kommentare

  1. Melanie

    Mir erging es in meiner Beziehung ebenso. Wir nahmen deshalb eine Beratung in Anspruch, wo die Paarberaterin meinte, ich hätte eine Borderline-Störung. Bis dahin wusste ich gar nicht, was das ist. Es stimmte auch nicht, sonst wäre ich doch in ärztlicher Behandlung, oder? Es war dann ein ganz anderer Grund, weshalb es gerade so schwierig war, den wir gemeinsam beheben konnten. Danke an Herrn Thiel, dass er dies geschildert hat!

    • K.

      Es gibt viele Borderliner, die nicht in Behandlung sind. Waren Sie denn gar nicht neugierig und haben sich nie eine Zweitmeinung eingeholt?

      • Christian Thiel

        Zu der Zeit als ich den Text geschrieben habe, waren 50 Prozent aller Frauen die bei mir in Beratung waren nach Meinung ihrer Männer Borderline. Derzeit sind 90 Prozent aller Männer die bei mir in Beratung sind nach Meinung ihrer Frauen Narzissten. Vor fünf Jahren waren 80 Prozent aller Ratsuchenden nach ihrer eigenen Überzeugung hochsensibel.
        Ich lebe nun schon seit 20 Jahren mit solchen ‚Diagnosen‘. Den Partner oder die Partnerin mit einer Diagnose zu belegen dient vor allem dazu, das eigenen Selbstwertgefühl zu stabilisieren: „Es liegt nicht an mir.“ Na ja.

  2. Roland

    Das Muster kommt mir sehr bekannt vor. Habe es selbst schon erlebt und bei anderen gesehen. Mein Weg heraus war es ruhiger zu werden und zu warten.
    Habe dabei die Empfehlungen von H. Thiel angewendet. Heute kann ich eine entspannte, liebevolle Beziehung führen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

drei × 5 =

© 2024 Herzenssache

Theme von Anders NorénHoch ↑