In meinem Betrieb gehe ich zum Frühstück gerne in die Nachbarabteilung. Dort arbeitet eine Kollegin, deren lockere Art mir sehr gefällt. Wir tauschen öfter Whatsapp aus – zum Teil gab es dabei auch erotische Anspielungen. Das alles gefällt nun meiner Frau nicht, auch weil diese Kollegin nicht gut über meine Frau spricht. Ich finde, das sollte man nicht so ernst nehmen.
Ich denke, Sie werden sich bald entscheiden müssen. Entweder Sie wollen mit der netten Kollegin die so eine „lockere Art“ hat weiterhin erotische Whatsapp-Nachrichten und abfällige Bemerkungen über ihre Frau austauschen. Dann wird Ihre Frau vermutlich nicht mehr lange Ihre Frau sein. Sie überlegt (wie ich vermute) ohnehin seit einer Weile, ob sie ernsthaft mit einem Mann zusammen sein will, der sich wo verhält wie Sie und der dann auch noch der Überzeugung ist, seine Frau solle das alles doch einfach mal etwas lockerer sehen.
Kommen wir zur zweiten Alternative. Wenn Sie mit Ihrer Frau zusammenbleiben wollen, dann wird das wohl nur ohne Whatsapp mit der „lockeren“ Kollegin gehen. Und ohne Anspielungen erotischer Art. Zudem wird Ihre Frau sich vermutlich fragen, was Sie so sehr zu der anderen Frau hinzieht, dass Sie Ihnen erkennbar wichtiger ist als der häusliche Friede.
Was hat die Andere, was Ihre Frau nicht hat?
Sehen Sie: Genau das habe ich mich auch gefragt. Warum machen Sie das? Bei jeder Untreue geht es im Kern um die Frage: Was hat der (oder die) Andere, was der eigene Partner oder die eigene Partnerin nicht hat? Ihre Besuche in der Nachbarabteilung sind erkennbar genau das, Untreue. Auch wenn es – bislang – noch nicht zu Sexualität gekommen sein sollte.
Das was Sie machen, das machen Partner in der Regel, weil sie mit der Partnerschaft an irgend einem Punkt sehr unzufrieden sind. Und statt dem anderen zu sagen, was sich ändern soll, findet sich ein netter Kollege bei ihr ein oder ein Sporttrainer oder was auch immer. Oder es findet sich eine nette Kollegin bei ihm ein. Und dann gerät die ganze Ehe, die doch angeblich für immer und ewig halten solle, mitsamt den Kindern und dem frisch gebauten Haus von heute auf morgen komplett aus den Fugen.
Was könnte es sein, was Ihre Frau sich von Ihnen wünscht?
Ich würde Ihnen also zu zweierlei raten. Der Verzicht auf die „nette, lockere“ Kollegin wird Ihnen möglicherweise schwer fallen. Es wird ohne ihn aber aller Voraussicht nach nicht gehen. Allerdings wird dadurch alleine Ihre Ehe noch nicht wieder stabil. Dazu ist etwas ganz anderes nötig: Sie müssen in der Frage der Unzufriedenheit vorankommen. Etwas stört Sie. Und ich wüsste gerne: Was? Und wenn Sie mich fragen, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass auch Ihre Frau nicht wirklich glücklich ist an Ihrer Seite. Die zweite Frage der Sie nachgehen sollten lautet also: Was könnte es sein, was Ihre Frau sich von Ihnen wünscht?
Das was sie erleben, ist in meinen Augen also eine ganz normale Ehekrise, wie sie Jahr für Jahr viele Paare durchmachen. Verfallen Sie bitte nicht in Diskussionen mit Ihrer Frau. Sie müssen sich der Unzufriedenheit stellen. Fragen helfen eher weiter. Und die lauten: Was können Sie tun, damit es Ihnen miteinander besser geht? Was muss, was sollte sich ändern? Was fehlt Ihnen in Ihrer Partnerschaft? Was fehlt Ihrer Frau?
Wenn Sie auf diese Fragen Antworten finden, dann kann Ihre Ehe wieder stabil und glücklich werden.
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Ich kenn das auch. Bin seit 20 Jahren verheiratet und es hat sich ebenfalls dieser Kontakt zu einer netten verheirateten Kollegin ergeben. Es ist klar, dass keiner von uns seine Familie verlassen möchte, jedoch macht es das Handy leicht, Kontakt zu halten, ebenfalls mit erotisch Nachrichten. Nur in der Theorie. Sie spricht nicht schlecht von ihrem Mann und auch ich habe bewusst keinen Grund, über meine Ehe zu klagen. An der Kollegin finde ich ihre Kommunikation und Bildung sehr anregend und dies kann mir meine Frau nicht geben. Selbst wenn ich sie darum bitte. Ich habe keine Ahnung, wie es ausgeht…
„Ich habe keinen Grund zu klagen“ Das sagen viele zunächst (schon dass klingt nicht nach einer wirklich guten Ehe). In der Beratung kommt in der Regel sehr schnell heraus, wo es hakt. Beide haben Wünsche. Sie. Ihre Frau. Und beide bekommen nicht was sie wollen. Beide stehen nicht zu ihren Wünschen und Bedürfnissen. Ich warne. Vor der Nachbarabteilung. Untreue ist eine glitschige Ebene, auf der eine Ehe in den Abgrund rutschen kann.
Um da nicht runter zu rutschen…
Wie rette ich mich am besten aus der Affäre? Mit der Kollegin sprechen, ausschleichen lassen oder haben Sie darüber vielleicht schon mal geschrieben?
Ich würde zu einer Beratung raten. Das sind alles keine einfachen Fragen die Sie da stellen – und ein Profi hat sich schon viele Male mit dem Thema beschäftigt.
„Wie komme ich raus aus meiner Affäre?“, ist eine spannende Frage. Es gib meines Wissens kein Buch dazu. Müsste man vielleicht mal schreiben.
Danke für diesen Beitrag! Ihre Definition von Treue (die ja heutzutage in der Gesellschaft keinesfalls eindeutig ist) gefällt mir sehr gut.
Bei meinem Freund ist es eine Exfreundin, mit der er ein so enges Verhältnis führt, dass mich das unsere Beziehung in Frage stellen lässt.
Wir sind seit fünf Jahren zusammen, und führten bis vor kurzem eine Fernbeziehung. Meine Vorgängerin ist genauso lange in einer neuen, festen Beziehung, und mittlerweile auch verheiratet.
Dass mein Freund sie – seit Jahren- überhaupt jenseits von zufälligen Begegnungen absichtlich trifft und auch zuhause besucht, habe ich letztes Jahr erfahren. Dabei herrschte eine hohe Kontakfrequenz (mindestens einmal pro Woche), und es wurden Nachrichten mit meiner Meinung allzu zärtlichem Inhalt („Ich bin froh, wenn du in meiner Nähe bist“) ausgetauscht.
Wir hatten eine große Krise, ich wollte mich trennen, während er darum gekämpft hat, unserer Beziehung zu bewahren, allerdings ohne den Kontakt zur Ex abzubrechen. Wir haben letztendlich den Kompromiss geschlossen, dass er mit ihr noch telefonieren kann, sie aber nicht mehr trifft. Er hat mir auch versprochen, unangemessene Gefühlsäußerungen zu vermeiden. „Zufällige“ Treffen lassen sich leider nicht vermeiden, da sie Mitglied im selben Verein wie er ist. Und auch weil er Taufpate ihres Kindes ist (zu dem er allerdings keine vertraute Bindung hat) will ich mich da nicht grundsätzlich quer stellen.
Soweit ich weiß, ist der Kontakt per Telefon immer noch ziemlich rege, jedenfalls mehrmals pro Monat. Und es steht schon wieder die Anfrage im Raum, mal wieder zu zweit essen zu gehen…
Ich glaube ihm, dass es dabei nicht um Erotik geht, und auch, dass nicht zur Debatte steht, die Beziehung jemals wieder aufzunehmen.
Dennoch werde ich den Eindruck nicht los, dass diese „Freundschaft“ irgendwie ein emotionales Hintertürchen ist.
Wie soll ich mich verhalten? Diese Exfreundin ist durchaus freundlich zu mir, und ich könnte versuchen, mich selbst mit ihr anzufreunden. Dennoch wird mir das enge Verhältnis wohl immer unangemessen erscheinen, und ich fühle mich unwohl damit -und es geht mir tierisch auf die Nerven- immer wieder in der Rolle der Verbietenden zu sein. Vorwände für Treffen zu zweit waren (bis zur Krise im letzten Jahr) oft handwerkliche Gefälligkeiten durch ihn.