Ich habe da mal eine Frage: Ich bin seit 20 Jahren verheiratet, eigentlich läuft unsere Ehe auch ganz gut. Seit einigen Jahren sehe ich in der Mittagspause in einem Café in das ich gerne gehe eine Frau, die mir sehr gut gefällt. Wir tauschen tiefe Blicke aus – sie könnte meine Traumfrau sein! Neulich konnte ich sie wegen einer schweren Krankheit viele Monate lang nicht sehen. Als ich dann wieder in das Café kam, war alles wie vorher. Ich fühle mich wie verliebt. Manchmal würde ich sie sogar gerne küssen – einfach so. Was soll ich nur machen?

 

„Eigentlich“ läuft ihre Ehe gut. Und wie läuft Ihre Ehe uneigentlich? Ich bin immer ganz versucht mit dieser Frage zu antworten, wenn jemand die aberwitzige Behauptung aufstellt, mit seiner Ehe sei alles in Ordnung – und sich gleichzeitig mit dem Gedanken trägt, der erotischen Anziehung zu einer anderen Frau den Vorzug zu geben. Die Wahrheit ist: Ihre Ehe läuft nicht gut. Deshalb schauen Sie sich aushäusig um. Und deshalb nimmt das Gefühl der Verliebtheit bei der Frau im Café immer mehr zu.

Mit Ihnen und der Dame ist es wie bei Menschen, denen ihr rechtes Bein abgenommen wurde und die trotzdem noch Schmerzen im rechten Bein haben. Phantomschmerzen. Sie führen mit dieser völlig fremden Dame also eine Art Phantombeziehung. Die Schmerzen beziehungsweise die Verliebtheitsgefühle erinnern Sie stets und ständig: Du hast keine Partnerschaft mehr die gut läuft.

Aber sie behaupten weiterhin das Gegenteil. Erstaunlich.

Was kann man da nur tun? Versuchen Sie es bitte mit der Wahrheit. Der einzige Mensch der für sie da ist, nicht nur wenn Sie eine „schwere Krankheit“ haben, das ist ihre Frau. Wenn Sie bei ihr bleiben wollen, dann müssen Sie ehrlicher sein. Sie müssen erstens verstehen, dass Sie eine Ehekrise haben – nichts anderes heißt das mit Ihren Verliebtheitsgefühlen. Sie müssen zweitens verstehen, dass Ihre Frau ein Recht auf ein Gespräch über Ihre Ehe hat. In meinen Augen sind Sie ihr das schuldig.

Vor diesen beiden Schritten drücken Sie sich nun schon seit langem. Ich finde das feige. Ihre Frau wird das nicht anders sehen. Der Rest der Verwandtschaft und der größte Teil Ihres Freundeskreises ebenso. Warum ist ein Mann kurz davor, einer Frau die er gar nicht kennt seine „Liebe“ zu gestehen oder sie zu küssen – aber er hat keinerlei Mut, seiner Frau zu sagen, dass es ihm in der Ehe nicht mehr gut geht?

Sie sehen schon, ich finde nicht, dass Sie gerade auf einem guten Weg sind. Ein guter Weg ist es, die Partnerschaft zu verbessern. Ein anderer Weg ist die Trennung. Für das Verbessern unternehmen Sie momentan leider – nichts. Was würde sie von einem Kollegen sagen, der sich bei der Arbeit so verhält? Würde sie ihn in Schutz nehmen, wenn er vor vorhandenen Problemen einfach die Augen verschließt? Würde Sie ihm zustimmen, dass es völlig in Ordnung ist, Probleme nicht anzugehen? Ich vermute, die Antwort heißt: Nein. Zurecht.

Wenn sich Ihre Probleme wirklich nicht lösen lassen, dann erst sollte ehrlicherweise die Trennung kommen, ehe sie sich am Ende nach anderen Frauen umschauen.

 

Um keinen Beitrag mehr zu verpassen, bestellen Sie doch einfach den Newsletter! So werden Sie jedes Mal informiert, wenn ein neuer Beitrag erscheint!